*Am 12. Februar 2013 geht voraussichtlich ein Verfahren vor dem Landgericht Potsdam zu Ende, bei dem ein Flüchtling wegen Verstoßes gegen die Residenzpflicht angeklagt ist. Der Betroffene soll sich im Mai 2009 in Berlin aufgehalten haben, obwohl er Brandenburg nicht ohne Erlaubnis verlassen durfte.
Dienstag, 12. Februar 2013
10.00 Uhr
Landgericht Potsdam
Jägerallee 10-12
Saal 5*
Für den Betroffenen, den 35-jährigen Flüchtling Bisso G. aus Kamerun, hat der Prozess eine grundsätzliche Bedeutung. Bisso G. streitet nicht ab, dass er im Mai 2009 ohne Verlassenserlaubnis von Rathenow nach Berlin gefahren war. Er kann jedoch nicht verstehen, warum die Inanspruchnahme des Menschenrechts auf Bewegungsfreiheit eine Straftat darstellen soll. Das ist der Grund, warum er, unterstützt von seinem Verteidiger, dem Rechtsanwalt Volker Gerloff, die Einstellung des Verfahrens ablehnt und die Verfassungsmäßigkeit der ‘Residenzpflicht’ in Frage stellt.
Hinter ihm liegt ein Gerichtsmarathon durch mehrere Instanzen. Im März 2010 wurde er zum ersten Mal vor dem Amtsgericht Rathenow zu einer Geldstrafe von 80 Euro verurteilt. Das Urteil wurde jedoch vom Oberlandesgericht wegen »schwerwiegender Rechtsfehler« aufgehoben. In einer zweiten Verhandlung in Rathenow wurde er im Mai 2011 erneut verurteilt, dieses Mal zu 150 Euro. Mittlerweile ist man in der zweiten Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Potsdam.
Die bisherigen zwei Verhandlungstage waren geprägt von Auseinandersetzungen zwischen der Vorsitzenden Richterin Eibisch und dem Verteidiger Gerloff über die Verhandlungsführung. Gerloff rügte, dass das Gericht Zeugen vernommen hat, die zum angeklagten Verstoß gegen die Residenzpflicht nichts aussagen können. Das Gericht sei aber, so Gerloff, bemüht gewesen, weitere, hier nicht zur Anklage stehende, Strafvorwürfe zu konstuieren. Gerloff kündigte für Dienstag eine Reihe von Anträgen zur Verfassungs- und Europarechtswidrigkeit der Residenzpflicht an.
»Wir können nur hoffen«, so Kay Wendel vom Flüchtlingsrat Brandenburg, »dass das Gericht die schwerwiegenden Bedenken gegen die Beschränkung der Bewegungsfreiheit ernst nimmt. Es ist nicht nachvollziehbar, warum ein Bewohner Brandenburgs sich strafbar machen soll, wenn er sich in Berlin aufhält, wo er sich doch ohne Probleme nach Cottbus oder Frankfurt begeben darf.«