Unterbringung
In Brandenburg ist die Mehrheit der Asylsuchenden in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht. Asylsuchende dürfen nicht selbst über ihren Wohnort oder die Art der Unterbringung entscheiden. Häufig ist ein Auszug auch nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis schwierig, da es in vielen Landkreisen und kreisfreien Städten an bezahlbarem Wohnraum mangelt.
Aktuelle Informationen und unsere Forderungen zum Thema Unterbringung und Wohnen finden sich auch in unserem Forderungskatalog (Stand August 2019).
Wohnverpflichtung und Residenzpflicht in der Erstaufnahme
Wenn eine asylsuchende Person bei der bundesweiten Verteilung dem Land Brandenburg zugeteilt wurde, erfolgt zunächst eine Aufnahme in der Zentralen Aufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt oder in einer Außenstelle. Spätestens nach sechs Monaten soll die Verteilung in die Kommunen erfolgen. Geflüchtete aus „sicheren Herkunftsstaaten“ können jedoch nach Bundesrecht bis zur Entscheidung ihres Asylantrags und darüber hinaus bis zum Vollzug der Abschiebung in der Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht werden. Mit dem seit 2017 geltenden „Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“ wurde den Ländern ermöglicht, die maximale Aufenthaltsdauer auf bis zu zwei Jahre auszuweiten. Erste Pläne des Brandenburger Innenministeriums zur Umsetzung des Bundesgesetzes kritisierte der Flüchtlingsrat scharf.
Während der gesamten Aufenthaltsdauer in der Erstaufnahme bzw. in den ersten drei Monaten nach Ankunft gilt für Menschen mit Aufenthaltsgestattung eine Residenzpflicht. Ihr Aufenthalt ist räumlich auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt. Zum Verlassen brauchen sie eine Genehmigung.
Unterbringung von Menschen mit Aufenthaltsgestattung und Personen mit Duldung nach Verteilung in die Kommunen
Grundsätzlich verpflichtet die Ausländerbehörde Geflüchtete, die sich im Asylverfahren befinden und ihren Lebensunterhalt nicht sicherstellen können, in ihrem Zuständigkeitsgebiet Wohnsitz zu nehmen (§ 60 Abs. 1 AsylG ). Abgesehen von der räumlichen Zusammenführung der Mitglieder einer Kernfamilie, haben die Betroffenen kein Mitspracherecht, welcher Gebietskörperschaft und welcher Unterkunft sie zugewiesen werden. In Brandenburg fehlen landesrechtliche Regelungen dafür, wie lange Menschen mit Aufenthaltsgestattung in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht werden. Wie der Auszug in Wohnungen geregelt wird, ist den Kommunen überlassen. Die Auflage, in einer zugewiesenen Unterkunft zu wohnen, muss jedoch aufgehoben werden, wenn der_die Betroffene den Lebensunterhalt selbst sichern kann.
Personen mit Duldung haben ebenso wenig wie Menschen mit Aufenthaltsgestattung einen Rechtsanspruch auf Auszug in eine Wohnung.
Geflüchtete längerfristig oder gar auf Dauer zu verpflichten, in Sammelunterkünften zu wohnen, ist mit der allen Menschen nach Art. 2 Abs. 2 GG zugesicherten Handlungsfreiheit nicht vereinbar. Hohe Belegungsdichte, fehlende Privatsphäre und Rückzugsmöglichkeiten sowie die erheblich reduzierte Infrastruktur führen häufig zu Retraumatisierung und erschweren grundsätzlich die Genesung, verhindern Teilhabe und fördern Desintegration. Studien zu den Effekten zentralisierter, fremdbestimmter Unterbringung haben gezeigt, dass sich diese Lebensbedingungen gesundheitsschädigend auswirken und Trauma-Folgeerscheinungen fördern können.
Auszug aufgrund besonderer Schutzbedürftigkeit
Menschen mit besonderem Schutzbedarf haben nach § 9 Abs. 4 LaufnG die Möglichkeit, ihren Umzug in eine geeignete Unterbringungsform (Wohnung oder Unterkunft) zu beantragen. Da es in der Erstaufnahme und in den Kreisen jedoch kein Clearingverfahren und keine systematische Erfassung besonderer Schutzbedürftigkeit gibt, wird ein notwendiger frühzeitiger Auszug von Menschen mit besonderem Schutzbedarf häufig verhindert.
Wohnsitzauflage für schutzberechtigte Personen
Anerkannte Schutzberechtigte haben das Recht, eine eigene Wohnung zu beziehen und einen eigenen Mietvertrag abzuschließen. Seit 2016 gilt jedoch eine Wohnsitzauflage (§ 12a Abs. 1 AufenthG) für das Bundesland der Asylantragsstellung. Sie gilt für drei Jahre nach Anerkennung und ist nur unter bestimmten Voraussetzungen aufzugeben (u.a. zur Aufnahme eines Studiums, bei Aufnahme einer Arbeit und um eine Familienleben der Kernfamilie zu ermöglichen). Die Wohnsitzauflage kann durch eine Landesregelung weiter beschränkt werden, indem ein bestimmter Ort zugewiesen oder es verboten wird, an einem bestimmten Ort zu wohnen. In Brandenburg gibt es dazu bislang noch keine Regelung. Diskussionen um weitere Wohnsitzauflagen, wie sie in der Stadt Cottbus geführt wurden, sind häufig populistischer und rassistischer Natur. Laut Europarecht sind Wohnsitzauflagen nur zulässig, wenn sie „das rechtfertigende Ziel verfolgen, die Integration zu erleichtern“.
Der Flüchtlingsrat fordert die Abschaffung von Wohnverpflichtungen, Residenzpflicht und Wohnsitzauflagen. Sie sind diskriminierend und isolierend. Der Flüchtlingsrat tritt für eine grundsätzliche Unterbringung in Wohnungen ein. Gewaltschutzkonzepte und Mindeststandards ändern nichts daran, dass es sich bei Gemeinschaftsunterkünften um eine entmündigende Zwangswohnform handelt mit all ihren negativen sozialen, gesellschaftlichen und gesundheitlichen Folgen. Ein wirksamer Gewaltschutz kann nur erfolgen, wenn Sammelunterkünfte abgeschafft und Menschen unabhängig von Herkunft und „Bleibeperspektive“ dezentral untergebracht werden. Sozialem Wohnungsbau und Strukturen, die beim Auszug aus Unterkünften und bei der Wohnungssuche helfen, kommen eine zentrale Bedeutung zu. Nur durch Teilhabe und Selbstbestimmung können Menschen in Würde ankommen.
Zum Weiterlesen
- Innenminister Schröter verleugnet einzig wirksames Mittel gegen Gewalt: Abschiebelager abschaffen! Hg. Flüchtlingsrat Brandenburg. Februar 2018.
- Drucksache 6/8095: Unterbringung von Flüchtlingen in den Landkreisen Brandenburgs, Stand 31.12.2017. Hg. Landtag Brandenburg. Februar 2018.
- Die Bleiberechtsregelung läuft ins Leere: Nur wenige Geduldete profitieren. Hg. Pro Asyl. Februar 2017.