Abschiebungen

Abschiebungen bedeuten die Durchsetzung der Ausreisepflicht durch unmittelbaren Zwang. Sie sind Ausdruck einer inhumanen Asylpolitik.

Hier dokumentieren wir Abschiebungen von Menschen aus Brandenburg, von denen wir erfahren. Ihr habt von einer Abschiebung gehört und/oder seid in Kontakt mit den Abgeschobenen, die ihre Abschiebung bzw. einen Abschiebeversuch öffentlich machen möchten (ggf. auch anonymisiert)? Meldet euch gerne bei uns unter info@fluechtlingsrat-brandenburg.de

Aktuelle Informationen und unsere Forderungen zum Thema Abschiebungen finden sich auch in unserem Forderungskatalog (Stand August 2019).

Haftanstalt am BER

Am Flughafen Berlin-Brandenburg befindet sich eine Haftanstalt. Darin werden unter anderem Personen, die abgeschoben werden sollen, Menschen im Flughafenasylverfahren sowie sog. Zurückweisungsfälle inhaftiert. Weitere Informationen dazu haben wir hier zusammengefasst.

Abschiebezentrum am Flughafen BER

Laut Grundsatzverständigung zwischen Bundes- und Landesinnenministerium vom 25.10.2021 soll Am Flughafen BER ein „integriertes Einreise- und Ausreisezentrum“ entstehen. Wir halten die offizielle Bezeichnung für eine sprachliche Verschleierung und sprechen stattdessen von einem Abschiebezentrum, da in Schönefeld u.a. eine massive Ausweitung des Ausreisegewahrsams, eine starke Zunahme von Flughafenasylverfahren (und der damit einhergehenden Inhaftierung von Asylsuchenden) sowie von Abschiebungen geplant sind. Der Standort BER soll beispielsweise ca. die Hälfte aller Flughafenasylfälle des Standorts Frankfurt am Main übernehmen (ca. 350-600 im Jahr).

Hier informieren wir über die Pläne und unsere Kritik daran.

Abschiebungen: ein Teil inhumaner Asylpolitik

Nach negativem Ausgang des Asylverfahrens sowie erfolglosem Klageverfahren sind die betreffenden Personen ausreisepflichtig. In der Regel erhalten sie eine Duldung. In der politischen Debatte wird jedoch oft ignoriert, dass viele Menschen trotz formeller Ausreisepflicht dennoch nicht abgeschoben werden dürfen, etwa wegen krankheitsbedingter Abschiebungshindernisse. Die permanente Bedrohung, abgeschoben zu werden, bedeutet für die Betroffenen oftmals einen Zustand der ständigen Angst. Für traumatisierte Menschen ist dieser Zustand oft besonders belastend. Hinzu kommen dauerhafte rechtliche Einschränkungen und die Verhinderung von Teilhabe aufgrund von Kettenduldungen, also befristete Duldungen, die fortwährend, zum Teil für nur kurze Zeiträume durch die Ausländerbehörde verlängert werden.

Abschiebungen erfolgen nicht nur in den Herkunftsstaat, sondern auch in andere EU-Länder. Dies sind in der Regel Länder der Ersteinreise (Dublin-III-Verordnung) und Länder, in denen bereits ein internationaler Schutzstatus erteilt wurde („Drittstaatenregelung“: Art. 16a GG). Vielfach dokumentierte Menschenrechtsverletzungen und systemische Mängel beim Aufnahme- und Asylverfahren in zahlreichen europäischen Staaten, wie willkürliche Inhaftierungen von Geflüchteten oder drohende Obdachlosigkeit, sind Gründe, die Menschen dazu zwingen, auf der Suche nach Schutz weiterzureisen.

Der Flüchtlingsrat lehnt Abschiebungen grundsätzlich ab und fordert stattdessen eine großzügige Auslegung von Bleiberechtsregelungen. Abschiebungen stellen in der Regel einen Eingriff in Grundrechte dar. Beratungen zur „freiwilligen Rückkehr“, insbesondere, wenn Menschen bereits vor Beendigung des Asylverfahrens noch in der Erstaufnahme zur Ausreise gedrängt werden sollen, sind Teil dieses Abschottungssystems. Denn leider erfolgt häufig die Rückkehr weder freiwillig noch ist die Beratung unabhängig und ergebnisoffen.

Abschiebungen in Brandenburg

Update:

[Update 15.12.2022] Laut Zahlen des Innenministeriums wurden bis Ende Oktober 131 Personen aus Brandenburg abgeschoben, davon 109 Menschen in ihre Heimatländer und 22 nach dem Dublin-Verfahren in einen anderen EU-Staat. 2021 gab es 217 Abschiebungen und im Jahr 2020 239 Abschiebungen (Dublin: 2019: 136 Schutzsuchende, 2020: 79 Schutzsuchende, 20 Nach Angaben des Innenministeriums sind 219 Personen von Januar bis Oktober dieses Jahres „freiwillig“ in ihre Herkunftsländer ausgereist. Brandenburg hat sich 2022 erneut auch an Sammelabschiebungen beteiligt, beispielsweise nach Kenia und Georgien.

Während im Jahr 2014 aus Brandenburg 114 Personen abgeschoben wurden, lag die Zahl der Abschiebungen im Jahr 2018 bei 530 Personen (inkl. Dublin-Rückführungen). Die Zahlen haben sich von 2014 bis 2018 verfünffacht. Für die Jahre 2019 und 2020 liegen lediglich Auskünfte zu Abschiebungen aus der Erstaufnahme vor; die Landesregierung kann keine Angaben über erfolgte Abschiebungen aus den Landkreisen machen. 2019 sind 181 Menschen aus der Erstaufnahme abgeschoben worden, in 18 Fällen leistete die Zentrale Ausländerbehörde Amtshilfe für die kommunalen Ausländerbehörden. 2020 (Stichtag 30.4.20) wurden 66 Menschen aus der Erstaufnahme abgeschoben sowie 14 Menschen in Amtshilfe durch die Zentrale Ausländerbehörde. Auf Grund der fehlenden Daten ist ein Vergleich mit den Vorjahren nicht möglich. Hauptzielländer der Abschiebungen 2019/2020 waren: Frankreich, Georgien, Italien, Niederland, Polen, Russland und Serbien.

Die meisten Abschiebungen finden fernab jeder Öffentlichkeit, mitten in der Nacht, ohne Ankündigung und auch häufig ohne Zugang zu effektivem Rechtsschutz statt. Es werden Zimmer – unter Missachtung von Art 13. GG (Schutz der Wohnung) – ohne richterlichen Beschluss durchsucht, Familien getrennt und Abschiebehindernisse wie Krankheiten bleiben immer wieder unberücksichtigt. Der Flüchtlingsrat dokumentiert regelmäßig Grundrechtsverletzungen bei Abschiebungen.

Rechtsgrundlage in Brandenburg

2019 ist mit der Verabschiedung der Allgemeinen Weisung zum Vollzug von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die Zuständigkeit für die Durchführung von Abschiebungen von den Kommunen auf die Zentrale Ausländerbehörde übergegangen. Das Innenministerium (MIK) hat im Dezember 2020 neue Ausführungsbestimmungen veröffentlicht – die Allgemeine Weisung im Ausländerrecht Nr. 09/2020 – AW-AuslR Nr. 2020.09 -, die die alte Weisung ablöst.

Die Weisung regelt weiterhin, welche asyl- und aufenthaltsrechtlichen Regelungen die Ausländerbehörden prüfen müssen, bevor sie der ZABH eine ausreisepflichtige Person melden. Außerdem macht sie Vorgaben zur Abstimmung zwischen den Behörden und zur Vorbereitung und zum Vollzug der Abschiebung durch die ZABH. Neu geregelt ist die Zusammenarbeit mit der Task Force „Abschiebung Straftäter“, auch im Bereich ‚Betreten und Durchsuchen‘ gibt es einige Neuerungen.

Abschiebehaft

In Abschiebehaft werden in der Regel Menschen festgehalten, von denen die Ausländerbehörde meint, dass sie sich einer Abschiebung zu entziehen versuchen.

Im Juli 2019 hat die Landesregierung am Flughafen Schönefeld ein Ausreisegewahrsam mit 20 Plätzen in Betrieb genommen. Hier dürfen auch Familien mit Kindern inhaftiert werden. Zudem ist perspektivisch eine erneute Inbetriebnahme einer landeseigenen Abschiebungshaftanstalt geplant. Die Haftanstalt wurde 2017 aus Brandschutzgründen geschlossen. Bis zur Wiedereröffnung nutzt Brandenburg die Abschiebungshaftanstalten anderer Bundesländer.

50 – 70 Prozent aller gerichtlich überprüften Abschiebehaftanordnungen erweisen sich als rechtswidrig. Abschiebehaft ist eine Verwaltungshaft – eine Haft ohne Straftat –, die aus bürger- und menschenrechtlicher Perspektive grundsätzlich abzulehnen ist.

Mit dem im Sommer 2019 in Kraft getretenen „Geordnete-Rückkehr Gesetz“ wurde eine massive Ausweitung der Abschiebungshaft in Gesetz gegossen und eine neue“Mitwirkungshaft“ eingeführt. Auch eine Inhaftierung in regulären Gefängnissen ist nunmehr bis 2022 möglich. Abschiebungshaft ist keine Strafhaft und darf deshalb auch nicht in regulären Gefängnissen stattfinden – dies sieht auch der Gerichtshof der Europäischen Union so und verweist explizit darauf, dass zum Schutz der Menschenwürde eine Unterbringung in getrennten Einrichtungen erfolgen muss.

Der Flüchtlingsrat Brandenburg wendet sich entschieden gegen den Vollzug der Abschiebehaft und setzt sich für die bundesweite Abschaffung von Abschiebehaft ein.

Abschiebungen nach Afghanistan aus Brandenburg

Seit Ende 2016 finden trotz der katastrophalen Sicherheitslage in Afghanistan Sammelabschiebungen von Deutschland nach Afghanistan statt. Am 27. März 2017 wurde erstmals ein in Brandenburg lebender Afghane nach Kabul abgeschoben. Der Flüchtlingsrat kritisierte die Abschiebung in einer Pressemitteilung scharf und forderte die Landesregierung wiederholt auf, den jungen Mann nach Brandenburg zurück zu holen.

Im Vorfeld der Abschiebung wurde der durch die Brandenburger Grünen gestellte Antrag für einen Abschiebestopp auf Landesebene abgelehnt. Stattdessen wurde am selben Tag im Landtag ein Beschluss verabschiedet, der unter anderem das Bekenntnis zum Vorrang der so genannten freiwilligen Ausreise und die Entscheidung zur Ausweitung der Rückkehrberatung beinhaltete.

Im August 2018 wurden erneut drei Afghanen aus Brandenburg nach Kabul abgeschoben. Einer von ihnen befand sich im laufenden Asylverfahren, zwei von ihnen waren suizidgefährdet. Dem Richtungswechsel in der brandenburger Abschiebepolitik ging eine Information der Zentralen Ausländerbehörde an die kommunalen Ausländerbehörden im Juli 2018 voraus, dass nun wieder ohne Einschränkungen nach Afghanistan abgeschoben werden könne. Damit hält sich die Landesregierung an die Linie des Bundes, ohne eine eigene Einschätzung vorzunehmen. Außerdem zeigte die Missachtung von gesundheitlichen Abschiebehindernissen bei den abgeschobenen Afghanen, dass der im März 2017 gefasste Landtagsbeschluss, der eine genaue Einzelfallprüfung und das Beachten von besonderer Schutzbedürftigkeit vorsieht, wirkungslos blieb.

Auch die aktuelle rot-schwarz-grüne Landesregierung hat sich seit Anfang 2020 wiederholt an den Sammelabschiebungen nach Kabul beteiligt. Laut Brandenburger Innenministerium werden für Rückführungen nach Afghanistan weiterhin Gefährder und Straftäter sowie sogenannte Mitwirkungs- und Integrationsverweigerer priorisiert.

Afghanistan wurde 2020 schon das zweite Mal in Folge vom Institute for Economics & Peace in seinem Global Peace Index 2020 als das gefährlichste Land der Welt eingestuft. Die Rückkehrenden haben in aller Regel keine Chance, ein ansatzweise menschenwürdiges Leben zu führen. Wie existenzbedrohend sich die wirtschaftliche Situation durch die Corona-Pandemie entwickelt hat, zeigt auch eine vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg jüngst veröffentlichte Entscheidung. Das Gericht hat festgestellt, dass selbst junge, gesunde und alleinstehende erwachsene Männer ohne soziales Netzwerk in Afghanistan und aufgrund der durch die Corona-Pandemie verschlechterten wirtschaftlichen Lage nach einer Abschiebung ihre elementarsten Bedürfnisse absehbar nicht decken können.

Der Flüchtlingsrat fordert die Landesregierung auf, Abschiebungen in das Kriegsgebiet Afghanistan umgehend auszusetzen. Es darf grundsätzlich keine Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete geben, aber auch keine Rückführungen in EU-Staaten, in denen die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht gewährleistet ist.

Umso erschreckender ist in diesem Zusammenhang dann auch eine Antwort aus der Fragestunde des Deutschen Bundestages vom 3. März 2021: Bei afghanischen Flüchtlingen erwiesen sich rund 60 Prozent der im Jahr 2020 gerichtlich überprüften BAMF-Bescheide als rechtswidrig und wurden wieder aufgehoben (2019: 48,7). Siehe auch Asylstatistik 2020 der Bundesregierung, die von Der Linken erfragt wurde.

Die Webseite Deportation Alarm informiert über anstehende Termine von Sammelcharter-Abschiebungen. Afghanischen Geflüchteten, die einen ablehnenden Bescheid des BAMF erhalten oder nach abgeschlossenem Asyl- und Gerichtsverfahren nur mehr geduldet werden, wird dringend geraten, sich an eine professionelle Asylberatung zu wenden. Weitere Informationen, was im Falle einer drohenden Abschiebung beachtet werden sollte, finden sich auf unserer ‚Beratungshilfen‘-Seite:

Zum Weiterlesen

PMs & Materialien zu Abschiebungen

Bericht zu Abschiebung & Krankheit

Pressemitteilungen zu Abschiebungen aus Brandenburg

Pressemitteilung zu Abschiebehaft

Die gesundheitlichen Folgen von Abschiebungen. Eine Einordnung und Kritik aus ärztlicher und psychotherapeutischer Sicht. Report des Arbeitskreis Flucht und Asyl der IPPNW

PMs & Infos zu Afghanistan-Abschiebungen

Unsere Pressemitteilungen und Offenen Briefe

Beschlüsse des Landtages Brandenburg

Hintergründe, Erkenntnisquellen zur aktuellen Lage in Afghanistan

Jüngere Rechtsprechung zu Afghanistan-Abschiebungen (bundesweit)

Presse zu Afghanistan-Abschiebungen unter brandenburgischer Beteiligung (Auswahl)

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Kontakt

Telefonische Sprechzeiten

Wir bieten für Geflüchtete, Berater*innen und Engagierte eine telefonische Erst- und Verweisberatung an. Wir sind jedoch keine Beratungsstelle und bieten keine Einzelfallberatung an. (Weitere Beratungsangebote vor Ort finden Sie hier.)

Montag, Dienstag & Donnerstag
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Telefon: 03 31 / 71 64 99

Außerhalb dieser Sprechzeiten sind wir nur per E-Mail erreichbar: info@fluechtlingsrat-brandenburg.de


Consultation hours by phone

We offer initial and referral counselling by telephone for refugees, counsellors and volunteers. However, we are not a counselling centre and do not offer individual counselling. (You can find more counselling services on site here).

Monday, Tuesday & Thursday
10-13 h

Phone: 03 31 / 71 64 99

Outside these consultation hours we can only be reached by email: info@fluechtlingsrat-brandenburg.de

Termine

Die kommende offene Sitzung findet am Mittwoch 27. März statt. Im Fokus der Veranstaltung steht die neue Bezahlkarte für geflüchtete Menschen. Eine ausführlichere Veranstaltungsankündigung folgt  in Bälde.
Wenn Sie unsere Verteiler abonnieren, erhalten Sie die Einladung zu zukünftigen offenen Sitzung auch per E-Mail zugeschickt.

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Hinweise auf weitere Veranstaltungen, Fortbildungen und aktuelle Informationen schicken wir Ihnen ebenfalls gern zu. Tragen Sie sich dafür einfach in die für Sie passende Mailingliste ein (siehe Infoservice).

Auswechsel-Texte

Aktuell gibt es keine feststehenden Veranstaltungstermine. Unsere offene Sitzung findet jedoch jeweils am letzten Mittwoch des Monats statt. Die jeweiligen Themen veröffentlichen wir ca. zwei Wochen vorher an dieser Stelle. Wenn Sie unsere Verteiler abonnieren, erhalten Sie die Einladung zur Offenen Sitzung auch per E-Mail zugeschickt.

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Die kommende OFFENE SITZUNG am xx.xx. (17-19h) […..]. Wir freuen uns auf rege Teilnahme!

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