h2. Flüchtlingsräte: Alle Handlungsmöglichkeiten auf Landesebene müssen voll ausgeschöpft werden
Am 22. Februar 2010 haben SPD und LINKE im Berliner Innenausschuss einen Antrag eingebracht, in dem die Landesregierung aufgefordert wird, die Abschaffung der Residenzpflicht zwischen Berlin und Brandenburg zu prüfen. Noch bevor der offizielle Prüfauftrag erteilt wurde, ist nun in der Presse zu lesen, eine Abschaffung der Residenzpflicht sei nach Auffassung der Innenverwaltungen beider Länder nicht möglich. Der Flüchtlingsrat fordert Berlins Innensenator Körting und seinen brandenburgischen Amtskollegen Speer auf, voreilige Schlüsse zu unterlassen und sorgfältig alle rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen, die Residenzpflicht auf Landesebene abzuschaffen.
„Die Parlamente beider Länder sind in der Pflicht, sich intensiv mit dem Thema zu beschäftigen und konstruktive Lösungen zu suchen. Die Innenministerien allein dürfen dies nicht entscheiden“, sagt Martina Mauer vom Berliner Flüchtlingsrat. „Sollte es rechtliche Bedenken geben, dann müssen diese klar genannt und auch belegt werden. Sich hinter Bundesrecht zu verstecken, zeugt nicht gerade von politischem Mut“, so Mauer weiter.
Rechtliche Möglichkeiten auf Landesebene gibt es viele. Das Land Hamburg hat beispielsweise seine Asylaufnahmestelle nach Ludwigslust verlegt und mit Mecklenburg-Vorpommern vereinbart, dass sich Asylsuchende aus Hamburg auch im Landkreis Ludwigslust aufhalten dürfen. Die dortige Regelung wurde getroffen, um Asylbewerber in die Provinz abzuschieben. Es gibt aber keinen Grund, warum das Hamburger Rechtskonstrukt nicht auch als Vorbild für eine Vereinbarung zur Erweiterung der Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen zwischen Berlin und Brandenburg dienen sollte.
Auf Nachfrage verwiesen SprecherInnen der Berliner und Brandenburger Innenverwaltungen auf die von Innensenator Körting angekündigte Bundesratsinitiative zur Abschaffung der Residenzpflicht und auf Erlasse unterhalb der gesetzgeberischen Ebene. „Eine Bundesratsinitiative für die deutschlandweite Aufhebung der Residenzpflicht für Asylsuchende und Geduldete ist in jedem Fall sinnvoll. Doch auf deren Erfolg kann man sich nicht verlassen“, so Martina Mauer. Kay Wendel vom Brandenburger Flüchtlingsrat ergänzt: „Einzelfallbezogene Erlasse, die es Flüchtlingen erlauben, zum Beispiel für den Besuch von Gottesdiensten ins jeweils andere Bundesland zu fahren, reichen nicht aus. Es geht hier nicht um Ausnahmeregelungen, sondern um das generelle Recht auf Bewegungsfreiheit. Und das muss auch für Flüchtlinge gelten“.
Die Residenzpflicht ist eine in Europa einmalige asyl- und aufenthaltsrechtliche Regelung, die es Asylsuchenden und Geduldeten untersagt, ohne Erlaubnis ihren Landkreis bzw. das Bundesland zu verlassen. Tun sie es doch, drohen ihnen Strafen bis zu einem Jahr Gefängnis. Die Berliner Koalition hat sich auf Landesebene schon 2001 und erneut 2006 für die Abschaffung der Residenzpflicht zwischen Berlin und Brandenburg ausgesprochen – nun ist es Zeit zu handeln. Auch im Koalitionsvertrag der Bundesregierung ist eine Überprüfung der Residenzpflicht vereinbart. Experten gehen davon aus, dass die Regelungen zur Residenzpflicht ohnehin europarechtswidrig sind, da sie gegen die Vorgaben der Asylaufnahme-Richtlinie der EU verstoßen.