Am 7. April 2021 erfolgte die bereits vierte Abschiebung nach Afghanistan in diesem Jahr. Es war dies die insgesamt 38. Sammelabschiebung in das Land an, das im Global Peace Index 2020 als das gefährlichste weltweit eingestuft wird. Brandenburg hat sich bereits mehrfach an diesen Abschiebungen beteiligt. Diesmal wurde unter der Federführung Brandenburgs erstmals eine Afghanistanabschiebung vom gemeinsam mit Berlin betriebenen Flughafen BER durchgeführt. Mit Kundgebungen vor dem Potsdamer Landtag am 6. April und einer Kundgebung am Flughafen Terminal 5 am Tag der Abschiebung stellten sich Teile der Zivilgesellschaft öffentlich kritisch gegen dieses menschenverachtende Vorhaben und forderten den Stopp nicht nur dieser sondern auch aller weiteren Abschiebungen nach Afghanistan. Der Flüchtlingsrat Brandenburg beteiligte sich an beiden Veranstaltungen mit einem Redebeitrag, in dem er unter anderem die Brandenburger Landesregierung für seine Haltung stark kritisiert:

„Wir, der Flüchtlingsrat Brandenburg, begrüßen alle Menschen, die heute hier versammelt sind und die mit aller Deutlichkeit sagen:

Menschen in das gefährlichste Land der Welt abzuschieben, ist ein Verbrechen! Die für den 7.4. geplante Sammelabschiebung nach Kabul muss von der Brandenburger Landesregierung sofort gestoppt werden.

Wir fordern, dass die regelmäßigen Sammelabschiebungen nach Afghanistan angesichts der verheerenden Sicherheitslage und der katastrophalen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse vor Ort umgehend beendet werden.

Seit Beginn der Sammelabschiebungen nach Afghanistan im Dezember 2016 sind 10 Menschen aus Brandenburg nach Kabul abgeschoben worden. Obwohl die Pandemie die Lage in Afghanistan seit letztem Jahr nochmal massiv verschärft hat, hat die derzeitige Landesregierung allein im vergangenen Jahr drei und in diesem Jahr bereits zwei junge Männer in das gefährlichste Land der Welt abgeschoben.

Für die aktuell geplante Sammelabschiebung übernimmt Brandenburg nun sogar die Federführung. Das Innenministerium der rot-schwarz-grünen Landesregierung will die Abschiebungen nach Afghanistan um jeden Preis. Dies ist eine politische Entscheidung. Die Koalitionspartner schweigen. Auch diese Haltung ist eine politische Entscheidung.

Die Schicksale der bisher aus Brandenburg abgeschobenen jungen Männer zeigen: Als Rückkehrer sind sie massiver Gewalt in Afghanistan ausgesetzt. Sie können kaum auf bestehende Netzwerke zurückgreifen, die ihr Überleben sichern würden. Ihnen drohen Obdachlosigkeit und Verelendung.

Nach eigenen Angaben schiebt Brandenburg ausreisepflichtige Menschen aus Afghanistan ab, die männlich, alleinstehend und sogenannte Gefährder, Straf- und Intensivtäter, „Mitwirkungsverweigerer“ oder „Integrationsverweigerer“ sind. Die Abschiebung von Straftätern lassen den Innenminister (also) zum Richter werden.

Und wie weit und willkürlich die unscharfe Kategorie „Integrationsverweigerer“ ausgelegt werden kann, hat die Abschiebung des 31-jährigen Ahmad N. im Februar dieses Jahres gezeigt: Er hätte gerne als ausgebildeter Sanitäter hier in Deutschland gearbeitet – statt dessen ist er zwangsweise seit zwei Monaten zurück in Afghanistan, nachdem er zuvor aus der Erstaufnahme in Brandenburg abgeschoben wurde. Mit seinen verzweifelten Worten, die er uns aus Kabul zukommen ließ, möchten wir unseren Redebeitrag schließen:

„Im Schönefelder Flughafen hielt man mich etwa drei Stunden fest. Es sollte ein Corona-Test durchgeführt werden. Ich wollte das nicht, aber drei Personen fixierten mich und der Arzt führte den Test gegen meinen Willen durch. Es war sehr schlimm für mich, ich habe starkes Nasenbluten bekommen. Es war eine Katastrophe. Ich wurde geschlagen. Ich stand total unter Schock.
Nach der Ankunft in Kabul haben wir ein bisschen Geld bekommen. Davon konnten wir ein Hotel für eine Woche mieten. Heute ist der letzte Tag. Ab Morgen weiß ich nicht, was ich machen soll. Ich habe hier keine Familie und kenne niemanden.“

Wer nach Afghanistan abschiebt, weiß, dass er Menschenleben aufs Spiel setzt und Menschen in Verzweiflung stürzt – nicht nur die Abgeschobenen selbst, sondern alle hier lebenden Menschen aus Afghanistan!“