h6. Artikel aus der Berliner Zeitung, der taz, der Jungen Welt und dem Tagesspiegel.
h6. Freitag, 23. Januar 2004
Berliner Zeitung
h6. Flüchtlingsrat fordert bessere Abschiebehaft
h6. Vorwurf: Rechtsberatung wird erschwert
Jens Blankennagel
POTSDAM. Nach Ansicht des Brandenburger Flüchtlingsrates herrschen im zentralen Abschiebegefängnis des Landes in Eisenhüttenstadt noch immer unhaltbare Zustände. Besonders bemängelt werden die teils mangelnde medizinische Versorgung der Inhaftierten und die Nichtzulassung ehrenamtlicher und unabhängiger Rechtsberatung. Der Deutsche Anwaltsverein (DAV) und die evangelische Landeskirche unterstützen die Kritik. Das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter (CPT) habe die Zustände bereits im Jahr 2000 kritisiert, sagte Simone Tetzlaff vom Flüchtlingsrat. „Doch es hat sich nicht sehr viel geändert.“
So soll eine schwangere vietnamesische Inhaftierte ihr Kind verloren haben, weil sie nicht ausreichend medizinisch versorgt worden sein soll. Auch werde die vom DAV angebotene kostenlose Rechtsberatung mit der Begründung abgelehnt, die Inhaftierten könnten sich an das Wachpersonal oder die Mitarbeiter der Ausländerbehörde in der Haftanstalt wenden. „Das ist absurd: Es sind die Leute, gegen die sie meist klagen wollen“, sagte Anwalt Rolf Stahmann vom DAV. Außerdem sei das Personal nicht ausreichend geschult und vor allem nicht neutral. In Berlin ist eine solche Beratung seit zehn Jahren möglich.
Den Inhaftierten in Brandenburg werde nur eine Liste mit Telefonnummern von Anwälten
gegeben, sagte Stahmann. Aber nur die wenigsten Anwälte seien auf Ausländerrecht spezialisiert. „Und wir dürfen nicht helfen. Es herrscht die Angst, dass wir zu viele aus der Haft holen, die dann nicht abgeschoben werden können.“
h6. Zwei Anzeigen gegen Personal
Die privat betriebene Abschiebeanstalt Eisenhüttenstadt mit 108 Haftplätzen gibt es seit 1997.
Dort werden Ausländer inhaftiert, die bei der illegalen Einreise aufgegriffen wurden und
abgeschoben werden sollen. Bei anderen wurde der Asylantrag abgelehnt oder die Aufenthaltspapiere sind abgelaufen.
Anwälte haben vor wenigen Wochen zwei Strafanzeigen gegen das Personal gestellt: Wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung bei der Vietnamesin und weil eine Frau aus Kenia achtmal teilweise bis zu zehn Stunden in einer „Beruhigungszelle“ ans Bett gefesselt wurde.
Der Sprecher des Innenministeriums Heiko Homburg wies die Vorwürfe als „substanzlos“ zurück. In der Haft gebe es eine juristische „Verfahrensberatung“ durch geschultes Personal und Listen von Fachanwälten. „Es ist tragisch, dass die Vietnamesin ihr Kind verloren hat“, sagte er. Das habe aber nicht an mangelnder ärztlicher Versorgung gelegen. Der Fall der Kenianerin sei ein Einzelfall gewesen, sie sei aggressiv gewesen und damit eine Gefahr für sich und andere.
taz
h6. Abschiebehäftlinge ohne Beratung
h6. Flüchtlingsrat kritisiert Zustände im Abschiebeknast Eisenhüttenstadt. Medizinische Versorgung und seit Jahren angemahnte Rechtsberatung nicht gewährleistet. Innenministerium verweist auf Hilfe durch Jesuiten. Die wurde vor drei Jahren beendet
von HEIKE KLEFFNER
Massive Kritik an den Zuständen im Abschiebegewahrsam Eisenhüttenstadt üben der Flüchtlingsrat Brandenburg und Vertreter des Deutschen Anwaltsvereins. Die Zustände seien „unmenschlich“. Im Zentrum der Proteste stehen die medizinische Versorgung der Abschiebehäftlinge und deren mangelnder Zugang zu einer unabhängigen Rechtsberatung.
Bereits im Jahr 2000 hatte das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter (CPT) den Abschiebeknast besucht und anschließend gefordert, den Häftlingen Zugang zu einer unabhängigen, regelmäßigen und kostenlosen Rechtsberatung zu gewähren. Seine Kritik veröffentlichte das Komitee im März 2003 zusammen mit einer Stellungnahme der Bundesregierung.
Darin hieß es, dass „in Ermangelung“ anderer seriöser Angebote, z. B. durch die Rechtsanwaltskammer, eine Rechtsberatung in Eisenhüttenstadt nur durch die keineswegs unparteiischen in Eisenhüttenstadt tätigen Mitarbeiter der Abschiebehaftanstalt, der Zentralen Ausländerbehörde und der Außenstelle des Bundesamtes für Asyl erfolgen könne. Intensive Bemühungen, so die Beteuerung der Bundesregierung, kompetente Institutionen für diese Aufgabe zu gewinnen, seien bislang erfolglos geblieben.
Das brandenburgische Innenministerium verweist gerne darauf, dass seit dem CTP-Besuch drei Jahre vergangen seien. Im Übrigen erhielten die inhaftierten Flüchtlinge regelmäßig Besuche durch den Jesuitenflüchtlingsdienst, der auch Beratungen durchführe. Doch auch das Ministerium ist nicht auf der Höhe der Zeit. Der Jesuitenflüchtlingsdienst hat nach eigenen Angaben seine Rechtsberatungen bereits im Frühjahr 2001 beendet. Seither rate man der Leiterin des Abschiebegewahrsams dringend, eine kostenlose Beratung durch Anwälte zu genehmigen. Alle Angebote der Arbeitsgemeinschaft Ausländer- und Asylrecht im Deutschen Anwaltsverein wurden durch das Potsdamer Innenministerium aber bislang abgelehnt.
Zudem, so der Flüchtlingsrat, „ist die medizinische Versorgung der Inhaftierten nicht gewährleistet“. In Gedächtnisprotokollen, die der taz vorliegen, beschreibt eine mittlerweile abgeschobene Vietnamesin, dass sie im zweiten Monat schwanger war, als sie im Oktober 2003 in Eisenhüttenstadt inhaftiert wurde. Kurze Zeit später litt die 37-Jährige über drei Wochen an massiven Blutungen, die in der Haft nicht behandelt wurden. Am 1. Dezember wurde ihr von einem Arzt, zu dem sie von den Sicherheitskräften der Anstalt gebracht wurde, dann mitgeteilt, dass sie das Kind verloren habe.
„Erkrankte Häftlinge werden, falls überhaupt eine Versorgung stattfindet, nicht darüber aufgeklärt, was mit ihnen geschieht“, so Vera Everhartz vom Flüchtlingsrat Brandenburg. Psychisch kranke Häftlinge würden mit Gewalt ruhig gestellt, anstatt sie medizinisch zu behanden. So wurde eine Kenianerin im Oktober letzten Jahres nach eigenen Angaben mehrere Stunden lang an ein Bettgestell gefesselt.
„taz Berlin“:http://www.taz.de/pt/2004/01/21/a0333.nf/text.ges,1 lokal Nr. 7263 vom 21.1.2004, Seite 24, 101 Zeilen (TAZ-Bericht), HEIKE KLEFFNER
h6. Junge Welt
h6. Alptraum Abschiebeknast
h6. Trotz Intervention des Antifolterkomitees: Weiter skandalöse Zustände in Eisenhüttenstädter Einrichtung
Einer Schwangeren wird angemessene medizinische Betreuung verweigert. Sie verliert in der Folge ihr Baby. Eine offenbar psychisch kranke Frau wird ebenfalls nicht adäquat behandelt. Statt dessen fesselt man sie über Stunden an ein Bett. Hinzu kommen ständige Schikanen und Kontrollen. Den Betroffenen fehlt die Möglichkeit, sich zur Wehr zu setzen. Dieses dramatische Bild zeichnete der Brandenburgische Flüchtlingsrat am Mittwoch in Potsdam von den Lebensbedingungen der Flüchtlinge, die im Abschiebegefängnis im brandenburgischen Eisenhüttenstadt interniert sind. Seitdem im Jahr 2000 eine Delegation des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter (CPT) das Deportationslager besichtigte, habe sich im Grunde kaum etwas geändert, obwohl das CPT vieles kritisiert und konkrete Verbesserungen eingefordert hatte.
So wurde zwar eine beanstandete Fesselungseinrichtung aus Metallringen entfernt. Doch auffällige Internierte werden weiter mit Gewalt ruhiggestellt. So sei die Kenianerin Alice Kamau im Herbst 2003 sechseinhalb Stunden lang gefesselt worden. Zuvor hatte sie aus Verzweiflung über ihre Situation versucht, sich umzubringen, berichtete Olaf Löhmer vom Flüchtlingsrat. Zum Fall der schwangeren Vietnamesin, die ihr Kind verlor, nachdem sie im Oktober 2003 festgenommen und ins Eisenhüttenstädter Abschiebegefängnis verbracht worden war, erklärte Löhmer: „Wir können zwar nicht mit letzter Gewißheit feststellen, ob das Kind durch die Haft getötet wurde. Doch wir meinen, daß ein Abschiebegefängnis kein geeigneter Ort für eine Schwangere ist“, so Löhmer. Beide Frauen, die Vietnamesin und Alice Kamau, sind inzwischen deportiert worden.
Rolf Stahmann vom Deutschen Anwaltverein verwies am Mittwoch darauf, daß das CPT in seinem Bericht unter anderem kostenlose Rechtsberatung für die Inhaftierten gefordert hatte. Der Deutsche Anwaltverein habe danach im Jahr 2002 dem Potsdamer Innenministerium angeboten, diese Beratung- teilweise sogar ehrenamtlich – zu leisten und um eine entsprechende Genehmigung gebeten. „Das Innenministerium hat abgelehnt. Man meinte schlichtweg, es bestehe dafür kein Bedarf“, sagte Stahmann. Das Ministerium habe zudem erklärt, die Häftlinge könnten sich bei rechtlichen Fragen an das Wachschutzpersonal vor Ort wenden.
Berlin
„22.01.2004“:http://archiv.tagesspiegel.de/archiv/22.01.2004/940048.asp
h6. Abschiebehaft in der Kritik
h6. Flüchtlingsrat erhebt Vorwürfe wegen fehlender Rechtsberatung
Potsdam. Schwere Vorwürfe gegen das Brandenburger Abschiebegefängnis in Eisenhüttenstadt erhoben gestern der Flüchtlingsrat des Landes Brandenburg und der Deutsche Anwaltverein. Die medizinische Versorgung der Insassen sei unzureichend und es fehle eine unabhängige Rechtsberatung. Die Asylgesetze verlangten, Abschiebehäftlingen unabhängigen rechtlichen Beistand in der Haftanstalt zu gewährleisten, sagte Rolf Stahmann vom Anwaltverein. Denn viele Insassen könnten aufgrund von Sprachproblemen nicht von sich aus Kontakt zu Anwälten aufnehmen.
Der Verein habe daher im vergangenen Jahr dem Brandenburger Innenministerium angeboten, in Eisenhüttenstadt eine regelmäßige unentgeltliche Beratungsstunde zu organisiere. Dies habe das Ministerium mit dem Hinweis abgelehnt, die Flüchtlinge hätten die Möglichkeit, sich von Anstaltspersonal und Mitarbeitern der Ausländerbehörde beraten zu lassen.
Flüchtlinge ohne Anwalt könnten jedoch auf Grund des Anwaltszwangs vor dem Oberlandesgericht in Haftfragen keine Entscheidungen durchsetzen, sagte Stahmann. In Berlin sei bereits seit zehn Jahren ehrenamtliche unentgeltliche Rechtsberatung für Abschiebehäftlinge möglich. ase