Der Flüchtlingsrat Brandenburg, Aktionsbündnis „Offenes MOL“, Jugendliche ohne Grenzen, Women in Exile, Seebrücke Potsdam, Wir Packen’s an e.V., Flüchtlingsberatungsstelle ev. Kirchenkreis Oberes Haveland, Bürger*innen-Asyl Barnim und Barnim Solidarisch zeigen sich schockiert angesichts mehrerer besonders hässlicher Abschiebeversuche im Landkreis Barnim in den vergangenen Wochen. Landesweit zeichnen sich ein zunehmender Abschiebedruck und immer skrupelloser agierende Behörden ab. Wir fordern gemeinsam eine sofortige Abkehr von dieser brutalen Abschiebeoffensive.

Tischfestnahmen in Sozialämtern und Ausländerbehörden 

Aus einer kürzlich bekannt gewordenen Zielvereinbarung zwischen Landkreis/kreisfreier Stadt und Zentraler Ausländerbehörde (ZABH) zur „Verbesserung des Rückführungsvollzugs“ geht hervor, wie künftig die Abschiebezahlen in die Höhe getrieben werden sollen. Sogenannte Tischfestnahmen sollen „möglichst unauffällig“ dafür sorgen, dass ausreisepflichtige Personen bei Terminen in den Ausländer– und Sozialbehörden unter Vortäuschung falscher Tatsachen von der Polizei erwartet und abgeschoben werden sollen. Im Landkreis Barnim sollte eine Person sogar nach vorheriger Zusicherung an den beauftragten Rechtsanwalt, dass eben keine Abschiebemaßnahmen ergriffen würden, festgenommen und abgeschoben werden (PM 08.03.2024, Brutale Abschiebeversuche in Eberswalde).

„Dass sogar aus den Sozialämtern, deren Aufgabe die Versorgung von Menschen ist, abgeschoben werden soll, ist nicht nur empörend, sondern führt zu einer unheimlichen Verunsicherung auf Seiten der Betroffenen“, kritisiert Vincent da Silva vom Flüchtlingsrat, „wir fordern die Landkreise und kreisfreien Städte dazu auf, die Vereinbarung auf keinen Fall zu unterzeichnen und die beschriebenen Maßnahmen nicht umzusetzen“.

Im Landkreis Dahme-Spreewald (Abschiebemeister 2023 mit 99 Abschiebungen) sollte kürzlich eine solche Tischfestnahme erfolgen. Der Betroffene hatte im Zuge einer Namenskorrektur einen Termin in der Ausländerbehörde, um eine korrigierte Duldung zu erhalten. Nach stundenlangem Warten rief die Ausländerbehörde die Polizei, um ihn abzuschieben. Beamte suchten ihn erfolglos mehrere Stunden im anliegenden Waldgebiet. Infolgedessen war er so verängstigt, dass er sich nicht mehr in die Ausländerbehörde traute. „Diese Vorgehensweise führt wissentlich zur massenhaften Illegalisierung von Geflüchteten. Das ist skandalös“, betont Carla Regling.

Abschieben um jeden Preis

Das Vorgehen der Polizei bei Abschiebungen ist häufig extrem gewaltvoll, geprägt von massiver psychischer und physischer Gewalt und riskiert gravierende (Re-)Traumatisierungen, wie zuletzt im Landkreis Barnim. „Die brutalen Abschiebeversuche reihen sich ein in die sich immer weiter verstärkende restriktive, populistische, menschenfeindliche Stimmung in Brandenburg. Das Hauptaugenmerk liegt darin, die Abschiebezahlen öffentlichkeitswirksam zu erhöhen – zu jedem Preis: wie lange Menschen schon in Brandenburg leben, arbeiten, sich engagieren, spielt hierbei gar keine Rolle“, so Regling. Der Flüchtlingsrat Brandenburg empfiehlt, Beschwerden über Polizeigewalt bei Abschiebungen bei der Polizeibeauftragten einzureichen.

Abschiebe-Einrichtung auf der Oderinsel statt Erstaufnahme

Angesichts der Abschiebeoffensive überrascht es nicht, dass aktuell auf der Oderinsel in Küstrin-Kietz im Landkreis Märkisch-Oderland Möglichkeiten für die Errichtung einer eingezäunten Abschiebe-Einrichtung der Zentralen Ausländerbehörde (ZABH) geprüft werden. Laut Vizelandrat Hanke erfülle Märkisch-Oderland seit Jahren nicht sein Aufnahmesoll und habe Probleme, weitere Menschen unterzubringen. Anstatt neue Unterbringungsmöglichkeiten zu bauen, ist seine Lösung gegen überfüllte Unterkünfte nun also der Bau eines Abschiebezentrums.

„Dieser Plan ist perfide und populistisch: Das Problem der überfüllten Unterkünfte ist vor allem der verfehlten Wohnungspolitik in Brandenburg geschuldet. Viele in den Unterkünften lebende Bleibeberechtigte finden schlichtweg keine Wohnung. Statt bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, der uns allen dienen würde, sollen nun die Sammelunterkünfte mittels Abschiebungen ‚leergezogen‘ werden. Das ist Politik auf dem Rücken von geflüchteten Menschen“, kritisiert da Silva. Auch das Aktionsbündnis „Offenes MOL“ äußerte sich bereits öffentlich scharf gegen diese Pläne.

Anlage:
Zielvereinbarung zwischen Landkreis/kreisfreier Stadt und Zentraler Ausländerbehörde (ZABH) zur „Verbesserung des Rückführungsvollzugs“