Pressemitteilung vom 03. September 2014
*LG Neuruppin rügt den lapidaren Umgang der Ausländerbehörde und des Amtsgerichts Oranienburg mit dem Freiheitsrecht und der Gesundheit der Flüchtlinge
Innenministerium und Ausländerbehörde hielten am Vorgehen fest
Flüchtlingsrat fordert umgehende Änderung der geltenden Erlasslage, die landesweit zu Rechtsverletzungen führt*
Das Ehepaar I. wurde durch die Ausländerbehörde Oranienburg im November letzten Jahres bei einem Vorsprachtermin ohne Vorankündigung festgenommen. Der schwer traumatisierte Mann verbrachte die Nacht an Händen und Füßen gefesselt, seine Reisefähigkeit wurde trotz vorhandener fachärztlicher Gutachten kurzerhand festgestellt. Am nächsten Morgen wurde die verängstigte Familie ausser Landes geschafft, die Anwältin wurde nicht informiert.
Das Landgericht erteilte dem rechtsverletzenden Hauruckverfahren der Ausländerbehörde nun eine Absage. Der Haftantrag sei ohne Bezug zum Einzelfall gestellt worden und voller Textbausteine und Leerformeln gewesen. Der darauf folgende Haftbeschluss des Amtsgerichts Oranienburg bestätigte den fehlerhaften Antrag und war daher rechtswidrig.
Die Inhaftierung zum Zwecke der Abschiebung stellt einen besonders schweren Eingriff in die Freiheitsrechte dar. Die Haft darf nur das allerletzte Mittel sein und ihr muss bei der Anordnung eine gründliche Einzelfallprüfung vorhergehen. Die Haftanordnung muss ebenfalls verhältnismäßig sein, und die individuellen Umstände beachten. Diese hohen rechtlichen Hürden wurden von Ausländerbehörde und Amtsgericht missachtet, stellte das LG Neuruppin fest. Die Vermutung, Herr I. sei untergetaucht, obwohl er sich am darauf folgenden Tag nachweislich im Krankenhaus befand, sei unverhältnismäßig gewesen. Die Ausländerbehörde habe hier genauer ermitteln müssen, der Haftantrag sei daher unzulässig gewesen. Durch die sorglose Haftverhängung des Amtsgerichtes Oranienburg wurde dem übereifrigen Handeln der Ausländerbehörde kein Einhalt geboten.
Grundlage für die Abschiebungspraxis der Ausländerbehörden ist derzeit ein Erlass des Innenministeriums, der zur so genannten Verfahrensbeschleunigung den Ausländerbehörden so gut wie freie Hand lässt. Es bleibt dabei offen, ob die Vollzugsbehörden bei Abschiebungsmaßnahmen die Familieneinheit oder den Gesundheitszustand von Flüchtlingen wahren müssen, oder nicht. Es wird den Behörden auch die Möglichkeit einer unangekündigten Abschiebung eingeräumt, was eine freiwillige Ausreise erschwert oder unmöglich macht. In Folge herrscht in Brandenburg ein Verfahrenschaos, das dazu führt, dass besonders schutzbedürftige Flüchtlinge mit unverhältnismäßiger Härte in Haft genommen und abgeschoben werden.
Trotz wiederholter Kritik weigert sich das Innenministerium bis heute, die problematische Erlasslage zu ändern. „Wir fordern das Innenministerium auf, unverzüglich mit neuem Erlass dafür sorgen, dass die Landesausländerbehörden die Freiheitsrechte und körperliche Gesundheit von Flüchtlingen achten!“ sagte Ivana Domazet vom Flüchtlingsrat Brandenburg
Pressekontakt: Ivana Domazet 0331 / 716 499 und 0176 / 314 835 47