*Gemeinsame Presseerklärung der Flüchtlingsräte Brandenburg und Berlin*
Angesichts der verheerenden Flutkatastrophe im Westbalkan und der ohnehin extrem schwierigen Lebensbedingungen von Minderheitenangehörigen in diesen Ländern fordern die Flüchtlingsräte Berlin und Brandenburg einen offiziellen Abschiebestopp nach Bosnien-Herzegowina und Serbien.
Seit Anfang April schiebt die Ausländerbehörde Berlin Asylsuchende aus den Ländern des Westbalkans verstärkt ab, häufig im Rahmen so genannter Sammelabschiebungen mit speziell für diesen Zweck gecharterten Flugzeugen. Auch in Brandenburg werden Menschen dorthin abgeschoben oder sind von Abschiebung bedroht. Es handelt sich meist um Angehörige der Minderheit der Roma, die in ihren Herkunftsländern existenziell bedrohlicher Diskriminierung ausgesetzt sind.
Bosnien-Herzegowina und Serbien erleben derzeit eine der schlimmsten Hochwasserkatastrophen ihrer Geschichte. Allein in Bosnien-Herzegowina ist mehr als ein Viertel der Bevölkerung von dem Hochwasser betroffen. In Serbien werden weitere Flutwellen und Erdrutsche erwartet. Aufgrund der hohen Temperaturen besteht Seuchengefahr, frei geschwemmte Landminen stellen eine zusätzliche Gefährdung dar. Tausende Menschen sind seit Tagen von Strom und Wasserversorgung abgeschnitten, und vielerorts gibt es einen akuten Mangel an Trinkwasser, Nahrung und Medikamenten.
„Auch ohne Hochwasser ist die Lage für Roma im Westbalkan extrem schwierig. Nach der Abschiebung wissen viele Roma nicht, wo sie wohnen, wovon sie leben und wie sie benötigte Medikamente bezahlen sollen. In Anbetracht der gegenwärtigen Situation sind Abschiebungen nach Bosnien-Herzegowina und Serbien völlig unverantwortlich. Wir fordern daher einen offiziellen Abschiebestopp in diese Länder. Das bedeutet auch, das die betroffenen Personen für die Dauer dieses Abschiebestopps eine Duldung erhalten sollen“, so Martina Mauer, Sprecherin des Flüchtlingsrats Berlin.
Das Technische Hilfswerk ist seit letztem Wochenende in den von dem Hochwasser betroffenen Regionen im Einsatz, das Auswärtige Amt hat finanzielle Soforthilfe zur Verfügung gestellt, Hilfsorganisationen haben ein Spendenkonto eingerichtet. „Solidarität sollte nicht nur finanzielle und praktische Unterstützung bedeuten, sondern auch, kranke, besonders schutzbedürftige und sozial benachteiligte Menschen nicht in diese Regionen zurück zu schieben und sie der Obdachlosigkeit und Lebensgefahr auszusetzen“, sagt Ivana Domazet vom Flüchtlingsrat Brandenburg.
Menschenrechtsorganisationen in Serbien und Bosnien-Herzegowina berichteten uns von massiv gestiegenen Lebenshaltungskosten seit der Flut. Zudem seien die provisorischen Roma-Siedlungen in den beiden Ländern besonders von der Zerstörung durch Hochwasser und Erdrutsche getroffen. Einige Siedlungen seien vollkommen weggespült oder von Versorgungswegen abgeschnitten. Sie befürchten zudem, dass Roma, die in informellen Siedlungen lebten, keine Entschädigung für ihre zerstörten Häuser erhalten und dass zehntausende Menschen dauerhaft obdachlos bleiben.
*Pressekontakt:*
Martina Mauer, Flüchtlingsrat Berlin, Tel: 030 243 44 57 62
Ivana Domazet, Flüchtlingsrat Brandenburg, Mobil: 0176 314 835 47
*Informationen zur Situation von Minderheitenangehörigen im Westbalkan:*
„Abgeschobene Roma in Serbien“:http://www.alle-bleiben.info/wp-content/uploads/2014/03/serbien_2013_web.pdf Bericht von einer journalistischen, juristischen und medizinischen Recherchereise mit Beteiligung der Flüchtlingsräte Brandenburg und Berlin, Juni 2013
„Urteil des VG Stuttgart vom 25.03.2014 – A 11 K 5036/13:“:http://www.asyl.net/fileadmin/user_upload/dokumente/21757.pdf Angehörige der Roma werden durch den serbischen Staat in ihrem elementaren Recht auf Freizügigkeit beschnitten und kriminalisiert, weil sie von dem Menschenrecht der freien Ausreise Gebrauch machen.
Pro Asyl (Hg.): „Serbien – kein sicherer Herkunftsstaat von Asylsuchenden“:http://www.proasyl.de/fileadmin/proasyl/Serbien_kein_sicherer_Herkunftsstaat.pdf
„Rechtsgutachten von Pro Asyl zum Vorhaben der Bundesregierung, Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien zu sicheren Herkunftsstaaten einzustufen“:http://www.proasyl.de/de/presse/detail/news/zum_heute_vom_kabinett_beschlossenen_gesetzentwurf_zu_sicheren_herkunftsstaaten/
Radiobeitrag: radio Dreyeckland 23.5.2014: