h2. Regelungsbedarf und Veränderungsmöglichkeiten der Verwaltungspraxis der „Räumliche Aufenthaltsbeschränkung“ für Asylbewerber/innen und Geduldete
h2. Ergänzende Empfehlungen des Flüchtlingsrates Brandenburg zum Gutachten von Rolf Stahmann – auf Grundlage der Recherchen zur Behördenpraxis (siehe „Anlagen“:https://www.fluechtlingsrat-brandenburg.de/anhang-behordenpraxis-der-residenzpflicht-in-brandenburg)
Per Rechtsverordnung besteht grundsätzlich die Möglichkeit, die Bereiche der räumlichen Beschränkung innerhalb Brandenburgs neu zu definieren. Zusammen mit Berlin ist das auch länderübergreifend möglich (vgl. „Rechtsgutachten“:https://www.fluechtlingsrat-brandenburg.de/wp-content/uploads/2009/11/Stahmann_-_Residenzpflicht-Gutachten.pdf). Betroffen wären davon aber nur Flüchtlinge mit Aufenthaltsgestattung. Niedrigschwelliger und schnell umsetzbar sind folgende Schritte, von denen auch Geduldete profitieren würden:
h2. 1. Ein neuer Erlass muss her
Der Organisationserlass des Ministeriums des Innern zur Regelung des „Verlassens des zugewiesenen Aufenthaltsbereichs“ (Erlass 1 / 97 – Ausländerrecht) stammt aus dem Jahre 1997. Seitdem gibt es eine gravierende Gesetzesveränderung. Bis 2005 hieß es in § 58 Asylverfahrensgesetz:
_Die Ausländerbehörde kann einem Ausländer, der nicht oder nicht mehr verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, erlauben, den Geltungsbereich der Aufenthaltsgestattung vorübergehend zu verlassen oder sich allgemein in dem angrenzenden Bezirk einer Ausländerbehörde aufzuhalten, wenn hieran ein dringendes öffentliches Interesse besteht, zwingende Gründe es erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde._
Seit 2005 lautet das Gesetz folgendermaßen:
_Die Ausländerbehörde kann einem Ausländer, der nicht oder nicht mehr verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, erlauben, den Geltungsbereich der Aufenthaltsgestattung vorübergehend zu verlassen oder sich allgemein in dem angrenzenden Bezirk einer Ausländerbehörde aufzuhalten. Die Erlaubnis ist zu erteilen, wenn hieran ein dringendes öffentliches Interesse besteht, zwingende Gründe es erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Die Erlaubnis bedarf der Zustimmung der Ausländerbehörde, für deren Bezirk der allgemeine Aufenthalt zugelassen wird._
Viele Behörden beziehen sich nach wie vor auf diesen Erlass, der aber im Geist eines anderen Gesetzes verfasst wurde. Worauf damals die Ausnahme beschränkt war, besteht jetzt ein Rechtsanspruch. Die Erlaubnis ist zwingend zu erteilen bei „zwingendem Grund“ und „unbilliger Härte“. Die Ausländerbehörden bekommen außerdem einen Ermessensspielraum, der nicht mehr an Bedingungen geknüpft ist. Die Dauerverlassenserlaubnis erhält in dem Zusammenhang eine große Bedeutung für das Fernziel Abschaffung der Residenzpflicht.
Dieser Gesetzesveränderung tragen Länder wie Schleswig-Holstein und Berlin mit neuen Erlassen Rechnung. Sie weisen die Behörden an, das Ermessen grundsätzlich zugunsten der Antragstellenden auszuüben und eine *Erlaubnis nur noch in Ausnahmefällen zu verweigern*, wenn „besondere Umstände des Einzelfalles einer Erlaubniserteilung entgegenstehen“, wie es im Erlass von Schleswig-Holstein heißt (Schreiben an die Behörden vom 05.11.07). Dabei wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass dieser Erlass auch für Geduldete gilt.
Ein entsprechender Erlass in Brandenburg ist überfällig.
*Die Landesregierung kann neben der genannten allgemeinen Anweisung zur Ermessensausübung empfehlen, von der Möglichkeit der Dauerverlassenserlaubnis ausgiebig Gebrauch zu machen. Im Sinne dieser Gesetzes-Liberalisierung erwarten wir von der neuen Landesregierung auch eine Eindämmung der permanenten Verletzung der Privatsphäre durch Ausländer-Behörden. Die Praxis, Adressen von Dritten zu überprüfen oder Kopien von Personaldokumenten zu verlangen, kann per Anweisung beendet werden. Tatsächlich verfahren einige Ausländerbehörden bereits jetzt schon so, dass die Angabe des Reisegrundes und einer Zieladresse ausreicht, um die Genehmigung zu erteilen.*
h2. 2. Rechtswidrige Sanktionspraxis der Behörden unterbinden
Die Landesregierung sollte die Ausländerbehörden auch darauf hinweisen, dass der Rechtsanspruch auf Verlassenserlaubnis in den gesetzlich vorgesehenen Fällen auch dann besteht, wenn sich die Betroffenen nach Meinung der Behörden nicht ausreichend um die Ausreise bemühen oder vermeintlich eine falsche Identität angegeben haben. Auch ein aktenkundiger Verstoß gegen die Aufenthaltsbeschränkung setzt den Rechtsanspruch nicht außer Kraft. Überhaupt ist die Sanktionspraxis der Behörden mit der Verweigerung von Verlassenserlaubnissen mehrfach in Frage gestellt worden. (vgl. Gutachten Rolf Stahmann)