Anfang letzten Jahres hatte die Landeshauptstadt Potsdam ein neues Unterbringungskonzept für Flüchtlinge vorgelegt. Das darin vorgesehene dreistufige Verfahren zur Feststellung der „Wohnfähigkeit“ wurde nun von einem durch die Antidiskriminierungsberatung der Opferperspektive in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten als diskriminierend eingestuft. Die Verantwortlichen der Stadt haben das Verfahren vorläufig ausgesetzt.
Das „Konzept zur Unterbringung von Asylsuchenden und geduldeten Personen in Potsdam“ war ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Bis dahin durften Flüchtlinge nur in Ausnahmefällen und nach mehreren Jahren eine eigene Wohnung beziehen. Nun wurde die Wohnungsunterbringung nach 12 bzw. 6 Monaten zum Regelfall. Um die Wohnraumsuche der Flüchtlinge zu unterstützen, leistet sich die Stadt sogar die Fortsetzung eines zunächst von der Kirche finanzierten Modellprojektes aus eigenen Mitteln. Potsdam wurde beispielgebend dafür, wie die vorrangige Wohnungsunterbringung trotz angespanntem Wohnungsmarkt funktionieren kann – und sparte dabei sogar noch Geld.
Bei so viel gutem Willen fragt man sich, warum die Verantwortlichen dennoch an einem Prüfungsverfahren für die Wohnungsunterbringung von Flüchtlingen festhalten, dass über eine reine Abfrage, ob in nächster Zeit die Abschiebung ansteht, hinausgeht. Warum muss hier eine sozialpädagogische Beurteilung stattfinden, schriftliche Berichte über Sprachkenntnisse, Sozialverhalten, Ordnung, Sauberkeit und Pünktlichkeit eingeholt werden?
Der jetzt außer Kraft gesetzte „Wohnfähigkeitscheck“ ist aus der Wohnungslosenhilfe entlehnt. Das macht klar, welche Haltung hinter dem Verfahren steht. Es wird von allen geflüchteten Menschen zunächst angenommen, dass sie grundsätzlich nicht über die Fähigkeit verfügen, ihr Leben eigenständig zu meistern. Sie müssten diese Fähigkeit erst neu erwerben und ob sie dies erfolgreich getan hätten, wird dann abgeprüft. Es geht also in dem „Wohnfähigkeitscheck“ nicht um eine an den Betroffenen orientierte Hilfestellung. Das verhindert schon allein das Machtgefälle zwischen prüfendem Sozialarbeiter und AntragstellerIn. Es geht um eine Einschätzung der Behörde, ob die Geflüchteten schon „reif“ für eine eigene Wohnung sind.
Hier – und nicht nur in Potsdam – werden Asylsuchende schnell zu Objekten, die entweder kontrolliert oder gut-meinend bevormundet werden. Sie werden nicht in einem „ressourcen-orientierten Ansatz“ unter Wahrung der individuellen Interessen und Bedürfnisse unterstützt, sondern als grundsätzlich defizitär angesehen und paternalistisch behandelt. Zugleich haben sie die Bringschuld dafür zu tragen, ob das behördliche Handeln gelingt oder nicht.
Flüchtlinge sehen sich häufig mit einer bürokratischen Struktur konfrontiert, die auch für lange hier Lebende durchaus eine Hürde sein kann und ohne Unterstützung und Beratungsangebote kaum zu bewältigen wäre. Viele Asylsuchende haben traumatisierende Erfahrungen und Strapazen einer langen Flucht hinter sich und wollen so bald wie möglich in der neuen, sicheren Umgebung ankommen. Geflüchteten in diesem Prozess Unterstützung anzubieten und sie zu begleiten, ist eine wichtige Aufgabe für diejenigen, die es Ernst meinen mit der Integration.
Ein sozialpädagogisches Prüfungsverfahren der „Wohnfähigkeit“ – in welcher Form auch immer – ist dabei völlig verfehlt. Wir hoffen daher, dass die Prüfung nicht nur vorübergehend ausgesetzt ist, sondern die Erfahrungen mit der diskriminierenden „Wohnfähigkeitsprüfung“ zu einem grundsätzlichen Umdenken bei den Verantwortlichen führt.