Fünf Zeugen hatte die Staatsanwaltschaft heute aufgeboten – und alle litten sie (wie schon so viele der vor Gericht erschienenen Beamten) unter mehr oder weniger ausgeprägtem Gedächtnisverlust: „Das weiss ich nicht mehr – ist alles schon so lange her!“ war die meistgehörte Antwort des Tages im Saal Nummer 7 des Justizpalastes zu Agrigento. Diesmal waren es vor allem Funker aus der Kommunikation-Zentrale von ‚Radio Palermo‘, die sich an entscheidende Details einfach nicht mehr erinnern konnten: „Haben Sie mit der ‚Cap Anamur‘ Kontakt gehabt – und was war der Inhalt des Gesprächs?“, wollten unsere Verteidiger wissen. „Ich hatte Feierabend und bin dann nachhause gegangen“, berichtete der Chef der Seefunkstelle, „ein Kollege sollte den Fall übernehmen!“ – „Welcher Kollege?“ – „Das weiss ich leider nicht mehr!“ Auch die Behauptung, wir hätten Anweisungen der Küstenwache ignoriert, löste sich schließlich in Rauch auf: „Die Verbindung war so schlecht, man hat kaum ein Wort verstanden, da war ein amerikanisches Kriegsschiff, das hat dazwischengefunkt!“
Dennoch beharrte ein weiterer Funker, der am Abend des 30. Juni 2004 in Palermo Dienst hatte, darauf, wir hätten „trotz Aufforderung die Position nicht gesagt!“ Unser Verteidiger Vittorio Porzio legte dem Zeugen daraufhin eine Abschrift der Funkprotokolle vor, auf der unsere Position gleich zweimal schwarz auf weiss geschrieben steht. „Oh, na wenn es da steht muss es wohl so gewesen sein“, meinte daraufhin der Zeuge lakonisch. Unsere Verteidigung beantragte umgehend ein Sachverständigen-Gutachten zu den Mitschnitt-Bändern, um alle Zweifel auszuräumen – der Staatsanwalt schloss sich dem Antrag an. Zum nächsten Verhandlungstag wurde der 16. April bestimmt.