Der zweite Verhandlungstag gab uns einen Vorgeschmack darauf, in welchem Tempo die italienische Justiz sich an die Wahrheit heranpirschen wird: Mit über fünfstündiger Verspätung begann die Kammer damit, die ersten Zeugen einzuvernehmen. Zum Auftakt hatte die Staatsanwaltschaft ausschließlich diverse Beamte ins Rennen geschickt, die ihre Erinnerungen an die „Cap Anamur“ in jenen Tagen des Sommers 2004 wiedergeben sollten. Doch obwohl mehrere der Befragten die kompletten Ermittlungsakten in den Händen hielten, ließ sie ihr Gedächtnis an entscheidenden Stellen im Stich: So konnte der Polizeichef von Porto Empedocle nicht mehr sagen, woher er verschiedene belastende Informationen erhalten hatte und ein Bediensteter der Hafenbehörde gab zwar an, selbst an Bord unseres Schiffes gewesen zu sein, wusste aber leider nicht mehr, was er dort eigentlich gemacht hat. Mehrere Zeugen retteten sich auf Nachfragen in die Formulierung „mir ist gesagt worden …“, hatten aber vergessen, von wem.
Fazit des zweiten Tages im großen „Schlepper“-Prozess: „Wenn es so weitergeht, sitzen wir in sechs Jahren noch hier!“ (so die Vorsitzende Richterin) – zum nächsten Verhandlungstag ist der 15. Januar bestimmt worden.