*In Brandenburg werden kranke Flüchtlinge und Kinder nach Polen abgehoben. Dort landen sie trotz anderslautender Zusagen über Monate in Haft. Zwei aus Brandenburg abgeschobene Familienväter sind nun in den Hungerstreik getreten.*
Seit einer Woche bzw. neun Tagen befinden sich zwei aus Brandenburg nach Polen abgeschobene Asylsuchende in einer Hafteinrichtung in Polen im Hungerstreik. Ein Ehepaar und eine Familie mit 6- und 8jährigen Kindern wurden Ende letzten Jahres im Rahmen der Dublin-Regelung nach Polen abgeschoben und anschließend im entlegenen Ketrzyn an der Grenze zu Russland in eine Hafteinrichtung gebracht. Beide Männer haben bereits zuvor willkürliche Inhaftierung erfahren. Nun sind sie in Polen erneut in Haft, ohne zu wissen, wie lange sie dort bleiben und was mit ihnen passieren wird. Dagegen richtet sich ihr Protest und vor allem auch gegen die Inhaftierung der eigenen Kinder.
Beide Familien waren zuvor unter harschen Bedingungen aus Brandenburg abgeschoben worden. Herr A. leidet an Epilepsie, Herr I., hat Folter erlitten und ist schwer traumatisiert. Bei der Abschiebung wurden Herrn I. Hand- und Fußfesseln angelegt. In beiden Fällen wurden fachärztliche Atteste ignoriert, der Rechtsbeistand nicht informiert. Noch während das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge prüfte, ob Herr I. wegen akuter Suizidgefahr und schwerer Traumatisierung in Deutschland bleiben müsste, schuf die kommunale Ausländerbehörde Tatsachen und schob ihn und seine Ehefrau kurzerhand nach Polen ab. Auch Herr A. wurde vor den Augen seiner Kinder gefesselt und die gesamte Familie nach Polen abgeschoben.
In Polen werden aus Deutschland abgeschobene schutzbedürftige Asylsuchende – auch Kinder – immer wieder bis zu einem Jahr lang inhaftiert. Sie wissen in dieser Zeit nicht, wie lange und warum sie in Haft sind und müssen befürchten, nach Russland und bis in den Verfolgerstaaat zurück abgeschoben zu werden. In der Regel können sie die Gebäude nur eine Stunde am Tag verlassen, oft aber auch gar nicht. Aus Telefonaten mit den inhaftierten Familien wissen wir, dass die Kinder das Eingesperrtsein in Ketrzyn nicht länger ertragen können.
Trotz Vorlage ärztlicher Atteste hat ein Gericht in Polen die Inhaftierung von Herrn I. bestätigt. Dennoch gibt die Bundesregierung in einer parlamentarischen Antwort im September 2013 an, besonders schutzbedürftige Flüchtlinge würden in Polen nicht inhaftiert. Im November 2013 hat der UN-Ausschuss gegen Folter die polnische Praxis der Inhaftierung von Asylsuchenden kritisiert, weil die derzeitige Rechtslage die Inhaftierung von Kindern ermöglicht und dort kein Zugang zu rechtlicher Beratung besteht. Laut Helsinki-Foundation in Polen werden Asylsuchende dort häufig über Monate menschenrechtswidrig inhaftiert, betroffen seien auch syrische Flüchtlinge.
Brandenburg entwickelt sich gegenwärtig zu einem Verschiebebahnhof für Flüchtlinge. So erhalten auch syrische Flüchtlinge Bescheide, das Land zu verlassen und nach Ungarn auszureisen, wo ihnen wie in Polen Inhaftierung droht. Während in Brandenburg Initiativen vor Ort engagiert überlegen, wie sie Flüchtlinge menschenwürdig aufnehmen können, werden eben diejenigen, die gerade hier angekommen sind, rigoros abgeschoben. Der Flüchtlingsrat fordert das Land Brandenburg auf, kranke Menschen und Kinder nicht sehenden Auges dorthin abzuschieben, wo ihnen Haft und gesundheitliche Gefahr drohen. Die beiden hungerstreikenden Flüchtlinge müssen mit ihren Familien nach Deutschland zurück kommen dürfen, um ihre medizinische Behandlung fortzusetzen.
*Weitere Informationen:*
„Folteropfer noch immer in Polen in Haft“:http://www.maz-online.de/Lokales/Oberhavel/Folteropfer-noch-immer-in-Polen-in-Haft
„Rigide Abschiebungen in Brandenburg“:https://www.fluechtlingsrat-brandenburg.de/pressemitteilungen/rigide-abschiebungen-in-brandenburg-fluchtlingszahlen-mit-gewalt-reduzieren