In ihren jeweiligen Koalitionsverträgen bekannten sich die Landesregierungen in Berlin und Brandenburg dazu, die Residenzpflicht für Asylsuchende und Geduldete abzuschaffen. Nach dieser in Europa einmaligen Regelung ist es Flüchtlingen verboten, ihren Landkreis ohne Erlaubnis der Behörden zu verlassen. Eine Fahrt von Brandenburg nach Berlin kann zu einer Straftat werden. Derzeit prüfen die Regierungen in Brandenburg und Berlin die Möglichkeiten einer Zusammenlegung beider Residenzpflichtbereiche.
Durch den Brandenburger Koalitionsvertrag sowie durch die Berichterstattung in Teilen der Medien ist unter den Betroffenen der irrtümliche Eindruck entstanden, die Beschränkung ihrer Bewegungsfreiheit sei schon aufgehoben (Siehe Anhang). Obwohl dem nicht so ist und die Aufhebung bisher u.a. am Widerstand des Berliner Innensenators scheiterte, können sich die Betroffenen nach Ansicht der Flüchtlingsräte auf einen „Erlaubnisirrtum“ berufen. Denn vorsätzlich können sie gegen das Gesetz gar nicht mehr verstoßen. Zudem spricht ein weiterer Umstand für eine Strafaussetzung: Auch im Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Bundesregierung wurde eine Lockerung der Residenzpflicht für arbeitende Flüchtlinge angekündigt.
„Es ist völlig unsinnig, Menschen auf Grundlage eines Gesetzes zu bestrafen, dessen Änderung bereits angekündigt wurde“, sagt Martina Mauer, Sprecherin des Flüchtlingsrats Berlin. Aus diesem Grund ist ein sofortiges Moratorium, also eine Aussetzung der Strafverfolgung bis zur Gesetzesänderung, unausweichlich. Polizei, Staatsanwaltschaften und Ausländerbehörden sind in diesem Sinne anzuweisen. „Zudem müssen die beiden Landesregierungen nun rasch die angekündigte Aufhebung der Residenzpflicht umsetzen und sich auch auf Bundesebene für eine zügige Abschaffung dieses rassistischen Sondergesetzes stark machen“, so Mauer weiter.
h2. Anhang: Presseberichte über die Abschaffung der Residenzpflicht
Ursache der voreiligen Hoffnungen waren Presseberichte, die die Abschaffung der umstrittenen Residenzpflicht bereits als Tatsache darstellten. In der »Märkischen Allgemeinen« vom 3. November letzten Jahres wird Günter Baaske, Brandenburgs Sozialminister, mit den Worten zitiert, mit der CDU sei die Aufhebung der Residenzpflicht zwischen Berlin und Brandenburg nicht umsetzbar gewesen, mit der Linken schon. In der »taz« vom 6. November war zu lesen: _»Sobald die neue rot-rote Landesregierung in Potsdam die Regierungsgeschäfte übernommen hat, sollen sich Asylbewerber in beiden Ländern frei bewegen können. Das erklärten Brandenburgs designierter Sozialminister Günter Baaske (SPD) und Berlins Linken-Fraktionschef Udo Wolf übereinstimmend der taz.«_ Die »taz« vermeldete am 6. November, dass mit der neuen rot-roten Regierung die Residenzpflicht abgeschafft wird. _»Auch Reisen nach Berlin sind künftig jederzeit möglich.«_ Im »Neuen Deutschland« vom 10. November ist vom Fraktionschef der Linken in Berlin, Udo Wolf, zu erfahren: _»An Berlin wird diese Vereinbarung nicht scheitern, […] ›Beide Koalitionsverträge, die wir mit der SPD geschlossen haben, sahen das bereits vor. Aber Innensenator Körting (SPD) hat von seinem CDU-Amtskollegen Jörg Schönbohm in Brandenburg bisher immer einen Korb bekommen.‹«_
Bekräftigt wurde der Eindruck der bereits erfolgten Abschaffung durch einen Artikel im »Neuen Deutschland« vom 16. Februar diesen Jahres, wonach es Thomas Nord, der Landesvorsitzende der Brandenburger Linken, als einen der ersten Erfolge linker Regierungspolitik ansehe, dass _»die Residenzpflicht für Asylbewerber abgeschafft«_ worden sei. Ein öffentliches Dementi erfolgte nicht.