[Stand 22.05.2023]
Am Flughafen BER/Schönefeld befindet sich eine Haftanstalt, die offiziell als „Aufnahmeeinrichtung BER“ bezeichnet wird (Kirchstraße 38 in 12521 Schönefeld). Die Einrichtung besteht aus einem Bürogebäude, einer Freifläche mit Spielplatz sowie einem „Unterkunftsgebäude“, in dem verschiedene Personengruppen festgehalten werden. Zuständig ist die Zentrale Ausländerbehörde (ZABH) des Landes Brandenburg, die dem Ministerium des Innern und für Kommunales unterstellt ist. Das Gebäude verfügt aktuell über etwa 35 Unterkunftsplätze.
Die „Aufnahmeeinrichtung BER“ ist zweigeteilt: Im Ostflügel werden Menschen während der Durchführung von sog. Flughafenasylverfahren (§18a AsylG) inhaftiert. Der Westflügel wird sowohl als „Ausreisegewahrsam“ (d. h. zur Durchsetzung von Abschiebungen gem. §62b AufenthG, Freiheitsentzug für max. 10 Tage), als auch als „Transitunterkunft“ für sog. Zurückweisungsfälle (§15 Abs. 6 AufenthG) genutzt. Personen im Flughafenasyl sind laut Hausordnung der „Aufnahmeeinrichtung“ jederzeit strikt von anderen Personengruppen zu trennen.
Die bestehende Haftanstalt wird genutzt als:
- Ausreisegewahrsam (§62b AufenthG)
- Flughafenasylunterkunft (§18a AsylG)
- Transitunterkunft für Zurückweisungsfälle (§15 Abs.6 AufenthG)
- Sammelpunkt für Sammelabschiebungen (für ärztliche Untersuchungen, CoVid – Testungen, usw.)
- kurzzeitige Unterkunft für Menschen, die Abschiebemaßnahmen abbrechen
- Unterkunft für „freiwillig“ Ausreisende in der Nacht vor der Abreise
- Anlaufpunkt und Bearbeitungszentrum für sog. Aufgriffs- und Fahndungsfälle
- Ankunftszentrum für individuell anreisende Ortskräfte, humanitäre Aufnahmen und Vertriebene
- Standort für die Registrierung und ed – Behandlung von Vertriebenen und Asylantragstellenden
- Standort für die Anhörung von Asylantragstellenden, die bereits in die Kommunen verteilt worden sind (Folge- und Zweitanträge, Widerrufsverfahren, DÜ – Fälle, die in das nationale Verfahren umsteigen)
- zu Beginn der Pandemie wurde das Gebäude zudem kurzzeitig als Absonderungsunterkunft für die Kommunen genutzt
Laut der „Hausordnung für die Aufnahmeeinrichtung am Flughafen BER (Unterkunftsgebäude)“ sind Besuche, z. B. von Sozialarbeiter*innen, Rechtsberatung, Seelsorge oder anderen Personen, wenn sie von festgehaltenen Personen „ausdrücklich gewünscht“ werden, zwischen 8:00 Uhr und 18 Uhr möglich. Die Besuchszeiten von Personen, die gem. §62b AufenthG inhaftiert sind, weichen davon ab (s.u.). Über Besuche von sog. Zurückweisungsfällen entscheidet die Bpol, über Besuche von Personen, die abgeschoben werden sollen (§ 58 (1)), entscheidet die ZABH.
Im „Ausreisegewahrsam“ können Menschen auf Basis von §62b AufenthG „zum Vollzug der Ausreisepflicht“ für max. 10 Tage festgehalten werden. Dafür ist eine richterliche Anordnung notwendig („Gewahrsamsbeschluss“). Laut „Gewahrsamsordnung zum Verfahren zur Durchführung des Ausreisegewahrsams in der Ausreisesammelstelle des Landes Brandenburg gemäß § 62b Aufenthaltsgesetz (AufenthG)“ vom 24. September 2019 soll die Dauer in Gewahrsam „in der Regel 36 Stunden nicht überschreiten“ (in Ausnahmefällen 48 Stunden). Auch minderjährige Personen können im Ausreisegewahrsam inhaftiert werden, wenn sie sich in Begleitung eines volljährigen Familienangehörigen bzw. einer erziehungsberechtigten Person befinden. Der Gewahrsam wird durch das Land Brandenburg, aber auch durch die Bundespolizei und andere Bundesländern genutzt, die über den Flughafen BER abschieben. Auch sog. Aufgriffsfälle und Personen, die Abschiebungen abbrechen, werden dort festgehalten.
Menschen im Ausreisegewahrsam können laut Hausordnung in der Zeit von 13 bis 17 Uhr Besuch empfangen. Der Besuchswunsch muss sich laut Hausordnung auf „eine bestimmte, namentlich benannte untergebrachte Person“ beziehen. Der Besuch kann durch die Bediensteten in der Einrichtung verboten werden, „wenn diese die anstehende Aufenthaltsbeendigung verzögern oder verhindern“. Besuche durch Rechtsanwält*innen und Rechtsbeistände unterliegen hinsichtlich der Anzahl und Dauer der Besuche laut Gewahrsamsordnung keinen Beschränkungen.
Das Unternehmen City Schutz übernimmt in der gesamten Haftanstalt den „Wachschutz“. Der Betrieb bzw. die „Hausbetreuung“ (Gebäudelogistik, Unterbringung, Verpflegung, Soziale Betreuung) liegt bei der Firma Klüh. Die ZABH und die Bpol setzen zudem „Aufsichtspersonal“ vor Ort ein. Die Bpol ist in der Einrichtung für Zurückweisungsfälle und Menschen im Flughafenasyl zuständig, die ZABH für Menschen, die abgeschoben werden sollen.
Der Jesuitenflüchtlingsdienst bietet auf Minijob-Basis vor Ort Seelsorge an und unterstützt vereinzelt bei der Kontaktvermittlung zu Anwält*innen. Es gibt vor Ort keine unabhängige Asylverfahrensberatung (§12a AufenthG).
Es gibt eine Liste mit Anwält*innen, die auf Asyl- und Aufenthaltsrecht spezialisiert sind und ggf. Personen im Flughafenasylverfahren bzw. in Gewahrsam/Haft anwaltlich vertreten können. Bei den Anwält*innen können Sie sich nach Möglichkeiten zur Finanzierung der Kosten informieren. Koordinator der Liste ist Rolf Stahmann.
Anmerkung: Die Plätze in der Haftanstalt am BER sollen im Rahmen des Baus eines Abschiebezentrums in den nächsten Jahren massiv ausgeweitet werden (48 Plätze im Ausreisegewahrsam, 60 Plätze Transitgebäude, Stand Dezember 2022). Es wird mit. ca. 350 Personen im Flughafenasylverfahren pro Jahr gerechnet. Weitere Informationen dazu auch bei der Initiative Abschiebezentrum BER verhindern.
Weshalb Flughafenasylverfahren rechtsstaatlich höchst fragwürdig sind, können Sie in dieser Studie von Pro Asyl nachlesen.
Kontakt Jesuitenflüchtlingsdienst: info@jrs-germany.org / 030-32 60 25 90
Kontakt Abschiebebeobachterin (Caritas): Marie Gemarius de Kepper, 030 666 33 1031, abschiebungsbeobachtung@caritas-brandenburg.de
Kontakt Zentrale Ausländerbehörde Brandenburg, Leitung Olaf Jansen
Kontakt Bundespolizeiinspektion Flughafen Berlin Brandenburg: 030 856211-0 / bpoli.ber@polizei.bund.de