*Kleine Anfrage bestätigt: Zuwanderungsgesetz hat Kettenduldungen nicht abgeschafft!*
*„Miteinander Zusammenleben gestalten“* ist das Motto der diesjährigen interkulturellen Woche. Doch wie sollen Flüchtlinge, die jahrelang nur Duldungen erhalten und in Unsicherheit leben ein Leben gestalten?
*Kettenduldung nicht abgeschafft*
Die Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes seit dessen Inkrafttreten am 1.1.2005 war Gegenstand der kleinen Anfrage vom 5.7.2006 (Nr. 1266-1268) der SPD-Abgeordneten Susanne Melior.
Fakt ist: die Kettenduldungen wurden nicht – wie vom Gesetzgeber versprochen – abgeschafft. Flüchtlinge leben weiterhin in jahrelanger Unsicherheit, ohne die Chance auf Integration, Ausbildung und Arbeit. Um so höhnischer erscheint es, dass Flüchtlinge auch noch selber daran schuld sein sollen – so die Aussage des Innenministeriums.
Es wurden nur 333 Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 4 und Abs.5 vom 1.1.2005 bis 30.6.2006 erteilt – nicht einmal 10 % der 3593 Geduldeten in Brandenburg sind damit aus der so genannten Kettenduldung – der Duldung über Jahre hinweg – rausgefallen.
Es ist empörend, den Geduldeten allein die Schuld daran zu geben – gerade das Argument selbst verschuldete Passlosigkeit trifft in vielen Fällen nicht zu, da die Botschaften trotz erfolgter Versuche einfach keine Papiere ausstellen.
*Zu wenig qualifizierte Beratung im Land Brandenburg*
Es soll nur 584 Anträge auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gegeben haben – Erfahrungen aus den Beratungsstellen zeigen, dass eine deutlich höhere Zahl von Geduldeten eine Chance auf eine Aufenthaltserlaubnisse haben müsste. Doch aufgrund der wenigen qualifizierten Beratungsstellen in Brandenburg befürchtet der Flüchtlingsrat, dass es vielfach aufgrund der fehlenden Hilfe nicht zur Antragstellung kam.
*Geduldete werden bestraft*
Auffällig ist, dass von den 3593 Geduldeten im Land Brandenburg 955 gekürzte Leistungen nach § 1a AsylblG erhalten – mehr als einem Viertel der Geduldeten wird damit vorgeworfen, ihre Abschiebung zu verhindern, obwohl hinreichend bekannt ist, dass sie vielfach nicht ausreisen können.
*Minderjähige in Abschiebungshaft*
Vom 1.1.2005 bis zum 30.6.2006 saßen 10 minderjährige Flüchtlinge aus Brandenburg sowie 9 Minderjährige in Amtshilfe aus anderen Bundesländern in der Abschiebungshaft Eisenhüttenstadt. Der Flüchtlingsrat fordert, endlich die Inhaftierung von Minderjährigen zu beenden und die UN-Kinderrechtskonvention einzuhalten!
*Alle erhalten eine Arbeitserlaubnis?*
Die Zahlen der Anträge auf Arbeitserlaubnis und Entscheidungen sind den Beratungsstellen nicht verständlich, denn die Erfahrungen sind andere: sehr viele KlientInnen möchten gern eine Arbeitserlaubnis beantragen. Doch aus einigen Kreisen wird gemeldet, dass die Anträge gar nicht erst angenommen werden. Die hundertprozentige Erfolgsstatistik in einigen Landkreisen, in denen angeblich von z.B. 30 Anträgen auch 30 bewilligt wurden, mag in diesem Zusammenhang nicht verwundern.
*Dezentrale Unterbringung endlich Thema*
Die Umfrage ergibt, dass nun immerhin schon ein Drittel der Asylsuchenden und Geduldeten in Wohnungen untergebracht sind. Erschreckend hingegen die Zahlen aus Landkreisen wie z. B. der Prignitz: Null. Der Flüchtlingsrat fordert endlich auch in Landkreisen mit geringer Wohnungsunterbringung den politischen Willen zur Veränderung!
*Bargeld auf dem Vormarsch*
Positiv zu vermerken ist, dass nun immerhin sieben Landkreise und kreisfreie Städte in Brandenburg Bargeld an Flüchtlinge auszahlen. Leider gibt es immer noch Landkreise, die den dort lebenden Flüchtlinge Sachleistungen auszahlen, auch wenn sie in Wohnungen leben.
Flüchtlinge sollen Integrationsleistungen erbringen, um ein Bleiberecht in Deutschland zu erhalten. Zeitgleich wird ihnen diese Integration jedoch zum größten Teil verweigert – ohne Arbeitserlaubnis kann sich kein Flüchtling selber ernähren, ohne Wohnung nicht in einen normalen Lebensalltag integrieren.
Die kleine Anfrage macht deutlich, dass das Zuwanderungsgesetz die Situation von Flüchtlingen mit Ausnahmen von einigen positive Ansätze nicht grundlegend verbessert hat. Der Flüchtlingsrat lehnt es strikt ab, die Schuld vor allem im Verhalten der Flüchtlinge zu sehen. Politischer Wille und die Nutzung von Ermessensspielräumen sind gefragt.
Der Flüchtlingsrat Brandenburg fordert den Innenminister des Landes auf, sich endlich für eine humane, erfüllbare Bleiberechtsregelung für lang hier lebende Flüchtlinge einzusetzen!
Am 29.9.2006 findet der TAG des FLÜCHTLINGS im Rahmen der Interkulturellen Woche statt. Der Flüchtlingsrat Brandenburg setzt sich für ein Bleiberecht lang hier lebender Flüchtlinge ein – eine Broschüre zu Einzelschicksalen sowie eine Pressemeldung mit einem beispielhaften Flüchtlingsschicksal wird diese Woche erscheinen!
gez. Judith Gleitze
für den Flüchtlingsrat Brandenburg