Newsletter
Flüchtlingsrat Brandenburg
Juli 2020

Fachinformationen
Flüchtlingspolitische Nachrichten
Arbeitshilfen und Publikationen/ Sonstiges

 

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Interessierte!

In seiner Pressemitteilung vom 29. Juni 2020 hat der Flüchtlingsrat Brandenburg erneut eine Unterbringung von Geflüchteten in Sammelunterkünften zu Pandemiezeiten kritisiert, da Geflüchtete dort nicht ausreichend vor einer Infektion mit dem Coronavirus geschützt werden können. Gleich in zwei Fällen haben nun Brandenburger Verwaltungsgerichte hierzu Entscheidungen getroffen:

1) Das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) hat in einem Eilverfahren mit Beschluss vom 30. Juni 2020 – Aktenzeichen: VG 4 L 240/20 – die Rechtswidrigkeit einer Unterbringung alleinstehender Personen in Mehrbettzimmern in Gemeinschaftsunterkünften und einen Anspruch auf Einzelunterbringung festgestellt.

2) Mit Beschluss vom 03. Juli 2020 – Aktenzeichen: VG 8 L 444/20 – verpflichtet das Verwaltungsgericht Potsdam den Landkreis Oberhavel die „Antragstellerin außerhalb einer Gemeinschaftsunterkunft in der Weise unterzubringen, dass ihr mindestens ein Wohnraum sowie eine Küche oder Kochgelegenheit und ein Bad zur alleinigen Nutzung zur Verfügung stehen […].“ Die Antragstellerin hatte ein individuell erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf im Falle einer Infektion mit Covid-19 nachweisen können.

In Potsdam gehören Sammelunterkünfte vielleicht schon bald der Vergangenheit an. In einem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 03. Juli 2020 wird Potsdams Oberbürgermeister „beauftragt, einen Maßnahme- und Zeitplan zu erarbeiten, um alle Flüchtlinge in eigenen Wohnungen oder in Gemeinschaftsunterkünften (GU) unterzubringen, in denen die Unterbringung in wohnungs-ähnlicher Form möglich ist.“ Zum Vorstoß der Stadt Potsdam ein Bericht auf rbb24.de, 15. Juli 2020.

Besuchen Sie/ besucht uns auch auf Facebook, um mehr über die Arbeit des Flüchtlingsrats und anderer flüchtlingspolitischer Initiativen in Brandenburg zu erfahren.

 

Fachinformationen

Mit Weisung vom 09. Juli 2020 hat das Bundesministerium des Innern (BMI) Empfehlungen zum behördlichen Vorgehen bei Ausbildungs- und Beschäftigungsduldungen veröffentlicht, mit denen aufenthaltsrechtliche Nachteile aufgrund der Corona-Pandemie vermieden werden sollen.
Weiterlesen beim Informationsverbund Asyl und Migration.

Die Reisebeschränkungen im Bereich der Familienzusammenführungen sind seit dem 1. Juli 2020 aufgehoben. „Das Bundesministerium des Innern hatte am selben Tag erklärt, dass Einreisen zum Zweck des Familiennachzugs zu ‚wichtigen Gründen für Einreisen aus Drittstaaten‘ zählen.“
Weiterlesen beim Informationsverbund Asyl und Migration.

Die Innenministerkonferenz im Juni 2020 in Erfurt hat sich darauf verständigt, dass auf Grund des Fortbestehens der kriegsähnlichen Lage in Syrien die Voraussetzungen für die Verlängerung der Aussetzung der Abschiebungen nach Syrien gemäß § 60a Abs. 1 AufenthG vorliegen. Der Bundesminister des Innern hat sein Einvernehmen gemäß § 60a Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 3 AufenthG für eine Verlängerung des Abschiebungsstopps bis zum 31. Dezember 2020 erteilt.

Sozialhilfe auch für Flüchtlinge im Kirchenasyl
Wer sich in Kirchenasyl begibt, handelt nicht rechtsmissbräuchlich und hat einen Anspruch auf Sozialhilfe. Das hat das hessische Landessozialgericht im Fall eines Äthiopiers entschieden.
MIGAZIN, 23. Juni 2020.

 

Flüchtlingspolitische Nachrichten

Noël Martin, der vor 24 Jahren Opfer eines rassistischen Anschlags in Brandenburg wurde, ist am 14. Juli 2020 in einem Krankenhaus im britischen Birmingham verstorben. Er wurde 60 Jahre alt. Nachrufe und Berichte u.a. TAZ.DE, Tagesspiegel, rbb24.de, SPIEGEL, ZEIT Online, Potsdamer Neueste Nachrichten (PPN), DEUTSCHLANDFUNK.

Landesflüchtlingsräte, Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V., PRO ASYL und GEW haben in einer gemeinsamen Pressemitteilung vom 10. Juli 2020 auf die prekäre Situation von geflüchteten Kindern und Jugendlichen in Sammelunterkünften aufmerksam gemacht. Die Organisationen fordern „von den Landesregierungen sofortige Maßnahmen zur Unterstützung von geflüchteten Schüler*innen, um ihre Bildungsteilhabe zu gewährleisten“. Die digitale Infrastruktur in den Unterkünften muss ausgebaut als auch geeignete Lernräume sowie multiprofessionelle Unterstützungsangebote zur Verbesserung der Bildungsteilhabe geschaffen werden.

Ebenfalls zum Thema Bildungsteilhabe junger Geflüchteter: Die Petition der Brandenburger Landes-, Stadt- und Kreisjungendringe „Stell Dir vor, die Welt ist digital – und Du kommst nicht rein!“ sucht weiterhin Unterzeichnende. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen hat ein sehenswertes kurzes Video zum Thema produziert: „Homeschooling“

Sechs Wochen Quarantäne, ohne Internet, überwacht von Kameras
Reportage von Belinda Grasnik für das Online-Magazin KRAUTREPORTER, in der ausführlich rekonstruiert wird, was während der wochenlangen Quarantänezeit in der Sammelunterkunft für Geflüchtete in Hennigsdorf passiert ist.

Unterstützen Sie/ unterstützt bitte auch die Petition „Rassismus- und deutsche Kolonialgeschichte auf den Brandenburger Lehrplan“. Diese Petition ist Teil der deutschlandweiten Bewegung #blackhistoryindeutschland. „Für uns ist unverständlich, warum immer noch wichtige Teile der deutschen Geschichte ignoriert werden. Vielfältigere Perspektiven müssen verpflichtend in den Brandenburger Lehrplan integriert werden!“, heißt es im Aufruf.

PROTESTAKTIONEN – EIN KURZER RÜCKBLICK
Auch Geflüchtete haben ein Recht auf Familie! Über 1000 Flüchtlinge aus Eritrea haben am 13. Juli 2020 an einer Demonstration in Berlin teilgenommen und forderten laut ihr Recht auf Familienzusammenführung ein. Demonstrationsbericht mit Bildern auf der Seite der Initiativen Familienleben für alle! Hintergrundartikel auf TAZ.DE, 14. Juli 2020.

Black Lives Matter: Protest in Eberswalde
Am 11. Juli 2020 protestierten mehr als 200 Menschen in Eberswalde gegen Rassismus im Alltag und gegen Diskriminierung farbiger Menschen. Über die Demonstration gibt es einen Artikel plus Bilderstrecke in der Märkischen Onlinezeitung und ein Video auf rbb.

Flucht ist kein Verbrechen! Vor dem Strausberger Amtsgericht fand am 29. Juni 2020 ein Prozess gegen einen Geflüchteten aus dem Sudan wegen „illegaler Einreise“ statt. Etwa 30 Unterstützer*innen protestierten vor dem Amtsgericht gegen das Verfahren, einige Unterstützer*innen beobachteten den Prozess auch im Gerichtssaal. Der Prozess wurde vertagt. Das Gericht will nun erst einmal abwarten, ob das Bundesamt dem Geflüchteten Asyl gewährt oder nicht.
Weiterlesen bei Refugeeswelcomebarnim.blogsport.de, 13. Juli 2020.

RKI veröffentlicht neue Empfehlungen für Gemeinschaftsunterkünfte
Die jetzt veröffentlichten Empfehlungen (Stand 10. Juli 2020) sind gegenüber einer Entwurfsfassung vom Mai 2020 „deutlich verwässert“ worden, kritisiert der Flüchtlingsrat Niedersachsen. Sie seien zunächst nicht veröffentlicht worden, weil sie der Unterbringungspraxis in den Ländern „offenkundig widersprachen“.
Weiterlesen beim Flüchtlingsrat Niedersachsen, 09. Juli 2020.

Die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (umF) in Deutschland ist im vergangenen Jahr um ein Drittel zurückgegangen. 2019 hätten insgesamt 2.690 unbegleitete Minderjährige um Asyl gebeten, teilte das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen EASO in Brüssel mit. ZEIT Online, 25. Juni 2020.

Pushbacks an der bosnisch-kroatischen Grenze
Die brutalen Pushbacks an der bosnisch-kroatischen Grenze gehen auch während der Corona-Pandemie weiter. „In einem gemeinsamen Statement appelliert PRO ASYL mit weiteren u.a. deutschen und kroatischen Organisationen an die Bundesregierung, sich während der EU-Ratspräsidentschaft für die Einhaltung von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit an den EU-Außengrenzen einzusetzen“.
Weiterlesen bei PRO ASYL News am 1. Juli 2020.

Arbeitshilfen und Publikationen/ Sonstiges

„Kein Ort für Kinder“. Studie von terre des hommes zur Lebenssituation von minderjährigen Geflüchteten in Aufnahmeeinrichtungen in Baden-Württemberg, Brandenburg und Sachsen. Fazit der Studie: „Aufenthaltszeiten von bis zu sechs Monaten (oder auch länger) an solchen Orten stehen in Widerspruch zu ihren in der UN-Kinderrechtskonvention verankerten Rechten.“ Erläuterungen sowie der Link zur Studie von terre des hommes auf unserer Website.

SOS Rassismus Barnim: Es reicht nicht aus, „kein Rassist“ zu sein – Chronik rechtsextremer und rassistischer Vorfälle im Landkreis Barnim für das Jahr 2019 ist jetzt Online. Neu erscheinen ist auch die 27. Auflage der Einzelfall-Dokumentation „Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und ihre tödlichen Folgen “ (1993 bis 2019), herausgegeben von der ARI – Antirassistische Initiative e.V., Berlin (Dokumentationsstelle). Gesamttext PDF

Rassismus in Brandenburg – In der siebten Folge der Podcast-Reihe „Dit is Brandenburg“ der Märkischen Onlinezeitung geht es um die Erfahrungen, die Menschen mit nicht-weißer Hautfarbe oder Migrationshintergrund mit Rassismus in Brandenburg machen, u.a. mit Jibral Khalil, Mitglied des Vorstands des Fördervereins des Brandenburgischen Flüchtlingsrates.

Zum Nachhören auch „Rassismus und Corona: Die anderen Risikogruppen“. Diskussion mit der Urbanistin Noa Ha, der Journalistin Lin Hierse und dem Politikwissenschaftler Joshua Kwesi Aikins auf einer gemeinsamen Online-Veranstaltung der taz und des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) am 14. Juli:

Eine Materialsammlung des Flüchtlingsrat Niedersachsen zum Thema Rassismus ist hinter diesem Link zu finden.

„Freiwillige Rückkehr“ – Menschenrechtsverletzungen bei Rückkehrprogrammen
Neue Studie von Brot für die Welt und medico international (Juli 2020), die Berichte belegt über eklatante Verstöße gegen die humanitären Bedingungen bei den Rückkehrprogrammen der IOM. Studie: Notfallrückführungen der IOM aus Libyen und Niger PDF Study: Emergency returns by IOM from Libya and Niger PDF

Wie die EU ihre Verpflichtung zur Seenotrettung umgeht – Eine rechtliche Analyse.
Eine neue Folge von Asyl im Dialog – dem Podcast der Refugee Law Clinics Deutschland – mit Nassim Madjidian, die an der Uni Hamburg über Seenotrettung promoviert und Teil des Legal Teams der NGO Sea Eye ist.

„GET OUT! Zur Situation von Geflüchteten in Bulgarien“ – Neuer Bericht von bordermonitoring.eu (Juni 2020). Unter anderem wird das bulgarische Integrationskonzept, das faktisch nur auf dem Papier existiert, beleuchtet.

TERMINHINWEISE
Im Rahmen der überregionalen Kampagne „Wann wenn nicht jetzt – Sammelunterkünfte auflösen“ findet am Am 18. Juli 2020 in Müncheberg die neue, regelmäßige Veranstaltung „Kiezkantine“ statt. Mehr Informationen gibt es hier.

Fortbildungsangebote in Form von Präsenz-Seminaren der DIAKADEMIE/ Diakonische Akademie für Fort- und Weiterbildung e.V. im Haus der Diakonie, Berlin.
Grundlagen und Neuerungen beim Familiennachzug zu geflüchteten Menschen am 19. August 2020, 09:30 bis 16:15.
Aktuelle Änderungen im Ausländerrecht und im Dublin-Verfahren (für Fortgeschrittene) am 26. August 2020, 09:30 bis 16:15. Referentin ist RAin Berenice Böhlo.

Die UP Transfer GmbH an der Universität Potsdam bietet im Rahmen des IQ Netzwerks Brandenburg eine Brückenmaßnahme für Akademiker*innen mit Migrationsgeschichte im Bereich Betriebswirtschaft an. Für den nächsten Durchgang ab dem 01. Oktober 2020 werden noch Teilnehmende gesucht. Weitere Informationen hier.

 

 

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