Innenminister Stübgen hat vor ein paar Wochen entschieden, das Landesaufnahmeprogramm für syrische Flüchtlinge zum Ende des Jahres zu beenden. Wir berichteten.

Wir haben uns mit einem Brief mit einem Appell für eine Verlängerung des Programms an die Fraktionsvorsitzenden und migrationspolitischen Sprecher:innen der demokratischen Parteien gewandt (siehe auch weiter unten).

Wir möchten Sie dazu aufrufen, sich uns anzuschließen. Dafür können Sie sich mit unseren Vorlagenbrief an die demokratischen Abgeordneten des Brandenburger Landtags, z.B. per Email an die entsprechenden Wahlkreisbüros wenden. Bitte schauen Sie sich die gelb markierten Parts an und passen Sie ggf. an. Die Adressen der Abgeordneten finden Sie auf der Seite des Landtages, nach Fraktionen oder Wahlkreisen geordnet.

 

Hier der Appell:

An die Fraktionsvorsitzenden und migrationspolitischen Sprecher*innen der demokratischen Parteien des Landes Brandenburg

Potsdam, 08. November 2023

Sehr geehrte Damen und Herren,

zum Jahresende stellt das Brandenburger Innenministerium das Landesaufnahmeprogramm für syrische Flüchtlinge mit verwandtschaftlichen Beziehungen nach Brandenburg ein. Viele Syrer:innen haben in den letzten 10 Jahren ihre Familienangehörigen über dieses Programm sicher nach Brandenburg bringen können. Dass dieser Weg der sicheren und regulären Einreise nun verschlossen werden soll, wird viel Leid verursachen. Syrien liegt in Trümmern, der wirtschaftliche Zusammenbruch und der Währungsverfall führen zu Armut und Hunger. In einigen Teilen des Landes wird immer noch gekämpft. Junge Männer laufen Gefahr, zum Militärdienst eingezogen zu werden. Eine Perspektive für den Wiederaufbau gibt es nicht. Für ein Leben in Sicherheit bleibt den Angehörigen ohne das Aufnahmeprogramm nur die Flucht über lebensgefährliche Routen.

Wir bitten Sie vor diesem Hintergrund, sich bei Herrn Innenminister Stübgen für eine Verlängerung des Landesaufnahmeprogramms für syrische Flüchtlinge zumindest bis zum Ende der Legislaturperiode einzusetzen. Denn darauf hat sich die Koalition im Koalitionsvertrag verständigt. Es ist eine der wenigen legalen Einreisemöglichkeiten und verhindert damit viel Leid auf den Fluchtrouten und an den Grenzen. Auf drei Aspekte möchten wir Sie daher noch einmal explizit hinweisen:

1. Bleiben heißt auch Familieneinheit

Mit dem Programm hat Brandenburg in den vergangenen 10 Jahren 964 Familienangehörigen, die durch den Krieg in Syrien getrennt wurden, die Aufnahme ermöglicht. Einreisen können Verwandte ersten und zweiten Grades (sowie deren Ehegatten und minderjährige Kinder) von bleibeberechtigten Syrer:innen, die seit mindestens einem Jahr ihren Hauptwohnsitz in Brandenburg haben.
Auch für die Integration der bereits hier lebenden Syrer:innen ist der Nachzug ihrer Familie von immenser Bedeutung – nur so können sie richtig ankommen und Teil der Gesellschaft werden.

2. Keine Belastung der Kommunen

Die Voraussetzungen für den Familiennachzug nach dem Landesaufnahmeprogramm sind hoch. Die hier lebende Person muss ausreichend Wohnraum für die nachziehenden Personen nachweisen und eine Verpflichtungserklärung für 5 Jahre abgeben. Das heißt, sie muss den Lebensunterhalt für sich und alle nachziehenden Personen für 5 Jahre sichern. Lediglich die Krankenversicherungskosten werden vom Land Brandenburg übernommen. Eine Arbeitsaufnahme nach Einreise ist möglich.

Damit wird deutlich, dass keine zusätzliche Belastung für die Kommunen entsteht und somit auch keine Konkurrenz zu den aktuell ankommenden Flüchtlingen besteht. Eine Aussetzung des Programms aus Gründen der Überlastung der Aufnahmekapazitäten oder aufgrund des allgemeinen Migrationsgeschehens ist daher nicht nachvollziehbar.

3. Nachweis von Not und Bedrängnis großzügig auslegen

Seit dem Jahr 2023 müssen die nachziehenden Familienangehörigen zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweisen, dass sie sich weiterhin in Not oder Bedrängnis befinden. Das bedeutet, sie müssen belegen, dass eine Integration am bisherigen Aufenthaltsort nicht möglich ist. Konkret kann dies bedeuten, dass kein Aufenthaltstitel, kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit, kein Studien- oder Ausbildungsplatz, kein Schulplatz, kein angemessener Wohnraum oder keine Gesundheitsversorgung zu erlangen sind oder dass eine konkrete Gefährdung vorliegt, etwa durch den drohenden Einzug zum Militärdienst.
Die Praxis zeigt, dass dieser Nachweis zum Einen sehr schwer zu erbringen und zum Anderen für die Ausländerbehörden schwer zu überprüfen ist. Dies führt in einigen Fällen zu willkürlichen Entscheidungen und zu einer sehr langen Verfahrensdauer. Statt das Programm aus diesen Gründen zu beenden, sollte die Prüfung der Not- und Bedürftigkeit großzügig und zugunsten der Betroffenen ausfallen . Dafür braucht es eine klare Weisung seitens des Innenministeriums an die zuständigen Ausländerbehörden.

Mit der Entscheidung zur Beendigung des Landesaufnahmeprogramm für syrische Flüchtlinge bleiben Menschen nur noch lebensgefährliche Routen auf dem Weg nach Brandenburg oder die Entscheidung, die Flucht nicht auf sich zu nehmen und weiterhin in Not auszuharren. Deshalb wären wir Ihnen sehr dankbar, wenn Sie sich beim Innenminister für die Weiterführung des Programms einsetzen würden.

Mit freundlichen Grüßen

Mitunterzeichnende
• Beratungsfachdienst für Migrant*innen Potsdam des Diakonischen Werks Steglitz und Teltow-Zehlendorf
• Beratungsstelle Asyl und Migration des evangelischen Kirchenkreises Barnim
• Flüchtlingsberatungsstelle des evangelischen Kirchenkreises Oberes Havelland
• Flüchtlingsrat Brandenburg
• Geflüchteten Netzwerk Cottbus e.V.
• Jugendliche ohne Grenzen

 

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