Am 20. Juni jährt sich der Weltflüchtlingstag – der internationale Gedenktag für die Schicksale aller Asylsuchenden, Flüchtlinge, Binnenvertriebenen und staatenlosen Menschen weltweit – zum zwanzigsten Mal. Gleichzeitig feiert die Genfer Flüchtlingskonvention in diesem Jahr 70-jähriges Jubiläum. Grund zum Feiern sieht der Flüchtlingsrat Brandenburg aber nicht.

„Mehr als 80 Millionen Menschen sind aktuell, an diesem Tag, in diesem Moment auf der Flucht. Das sind so viele wie noch nie. Allein im vergangenen Jahr ist die Zahl der Flüchtenden laut UN-Flüchtlingshilfe weltweit um fast 15 Prozent gestiegen. Doch statt sich entschlossen für einen besseren Schutz dieser Menschen einzusetzen, werden alle Anstrengungen unternommen, die eigenen Grenzen zu schützen und möglichst viele der Menschen, die bei uns Zuflucht suchen und sich hier ein neues Leben aufbauen wollen, wieder loszuwerden“, kommentiert Lotta Schwedler vom Flüchtlingsrat Brandenburg die gegenwärtigen Entwicklungen. Die Grundsätze der Genfer Flüchtlingskonvention, einst zurecht als ein völkerrechtlicher Meilenstein der Nachkriegsgeschichte gefeiert, sieht sie zunehmend ausgehöhlt – auch in Brandenburg: Immer weniger Geflüchtete erhalten einen Schutzstatus, Bleiberechtsmöglichkeiten werden nicht ausgeschöpft, Ermessensspielräume ignoriert und Abschiebungen um jeden Preis und nicht selten unter Anwendung von Gewalt durchgesetzt.

Die forcierten Abschiebungen aus Brandenburg sieht der Flüchtlingsrat gerade vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie, die im letzten Jahr beinahe sämtliche Lebensbereiche lahmgelegt hat, besonders kritisch: Während das Auswärtige Amt aufgrund der weltweiten Pandemie seit über einem Jahr zurecht von Urlaubsreisen ins Ausland abrät, wurden Abschiebungen mit Ausnahme einer kurzen Atempause im Frühjahr letzten Jahres weiterhin rigoros durchgezogen. So beteiligte sich Brandenburg an mehr als 20 bundesweit organisierten Sammelabschiebungen in rund 10 Länder. Hauptzielländer der Sammelcharter, an denen Brandenburg sich 2020 beteiligte, waren Georgien, Serbien, Tunesien und Afghanistan. Hinzu kommen diverse Abschiebungen von Einzelpersonen, unter anderem in andere europäische Staaten auf der Grundlage der Dublin-Verordnung.

Um die kompromisslose Härte zu verdeutlichen, mit der aus Brandenburg abgeschoben wird, verweist der Flüchtlingsrat auf jüngste Abschiebungen nach Afghanistan und Nigeria.

Ende Mai wurden in einer Chartermaschine ab Düsseldorf auch vier Menschen aus Brandenburg nach Nigeria abgeschoben. Besonders erschreckend ist dabei, wie lange die Personen hier lebten, bevor sie jäh aus ihrem Lebensumfeld gerissen und aus Deutschland ausgeflogen wurden: Zwei von ihnen lebten bereits seit über 20 Jahren hier, einer neun und einer sieben Jahre. Drei von ihnen hatten deutsche Kinder. Obwohl Brandenburg seit vielen Jahren ihre Heimat war, wurden weder Bleiberechtsmöglichkeiten noch Härtefallregelungen ausgeschöpft. Dem Flüchtlingsrat liegen außerdem Informationen vor, dass mindestens eine der Personen psychisch schwer belastet war – selbst dies wurde offenbar nicht als Hinderungsgrund gewertet.

Auch bei Ahmad A., der am 9. Februar nach Afghanistan abgeschobenen wurde, fuhr die Zentrale Ausländerbehörde in Brandenburg lieber eine harte Linie, statt Spielräume auszuschöpfen: Er war ausgebildeter Sanitäter und hatte sich um Arbeit und einen Ausbildungsplatz bemüht. Er unterlag jedoch einem Beschäftigungsverbot, weil er in der Erstaufnahme lebte. Die Entscheidung fiel auch bei ihm auf Abschiebung. In Kabul angekommen berichtete er von Gewaltanwendung während seiner Abschiebung – und von seiner ausweglosen Situation vor Ort: Wir haben ein bisschen Geld bekommen, davon konnten wir ein Hotel für eine Woche mieten. Heute ist der letzte Tag. Ab morgen weiß ich nicht, was ich machen soll, denn ich habe hier keine Familie und kenne niemanden.“

Weder der Weltflüchtlingstag noch der 70-jährige Geburtstag der Genfer Flüchtlingskonvention geben uns in diesem Jahr Grund zum Feiern. Die Flüchtlingskonvention wollte auch eine Antwort auf das Schicksal vieler Jüdinnen und Juden sein, die von den Nazis verfolgt keine Staaten fanden, in denen sie Zuflucht finden konnten. Umso schwerer wiegt es, wenn Deutschland – und Brandenburg – siebzig Jahre später Abschiebungen in den Fokus ihrer Flüchtlingspolitik rücken, anstatt Aufnahme, Asyl und Bleiberechte.

 

Pressekontakt:

  • Lotta Schwedler (Flüchtlingsrat Brandenburg): 0176-2142 5057