Corona-Absonderungshaft als Zwangsmaßnahme nur für nicht-Deutsche ist strukturell rassistisch
Potsdam, 11. Februar 2021
Im Innenausschuss des Brandenburger Landtages wurde gestern bekannt, dass in der ehemaligen Haftanstalt in Eisenhüttenstadt ausschließlich „Menschen nicht-deutscher Herkunft“ wegen Verstoßes gegen Quarantänemaßnahmen inhaftiert worden sind (die MAZ berichtete am 10.2.2021).
Mara Hasenjürgen vom Flüchtlingsrat Brandenburg äußert sich dazu:
„Eine freiheitsentziehende Maßnahme, die in der Praxis ausschließlich für Menschen nicht-deutscher Herkunft Anwendung findet, ist strukturell rassistisch. Wir müssen davon ausgehen, dass viele der in Eisenhüttenstadt Inhaftierten in Sammelunterkünften der Landkreise oder der Erstaufnahme selbst leben. Die Bewohner*innen von Sammelunterkünften sind überdurchschnittlich gefährdet sich zu infizieren oder sich als Kontaktperson in Quarantäne begeben zu müssen. Dabei werden sie mit Securities am Eingang und teilweise einer Polizeistreife vor der Tür viel engmaschiger überwacht, als Menschen, die in Wohnungen leben.“
Haft statt Aufklärung?
Hintergrund
Die Absonderungshaft beruht auf dem Infektionsschutzgesetz. Als in Brandenburg am 5. Mai 2020 erstmals ein Geflüchteter aus Potsdam-Mittelmark in Haft genommen wurde – damals noch im Ausreisegewahrsam in Schönefeld – hatte der Flüchtlingsrat gefordert, auf mehrsprachige Aufklärung und persönliche Ansprache, statt Zwangsmaßnahmen zu setzen (Pressenotiz vom 8.5.2020). Seitdem stand die Befürchtung im Raum, dass Bewohner*innen von Sammelunterkünften für Geflüchtete aufgrund ihrer stark kontrollierten Wohnsituation überproportional von dieser Zwangsmaßnahme nach dem Infektionsschutzgesetz betroffen sein könnten. Diese Befürchtung hat sich nun bewahrheitet.
Drohende Willkür
Es ist zu befürchten, dass die Absonderungshaft, auch aufgrund fehlender Vollzugsregelungen, willkürlich eingesetzt wird. Diese Befürchtung wurde verstärkt durch die, letztendlich nicht wahrgemachte Drohung des Landkreises Potsdam-Mittelmark vom 29.7.2020, protestierende Geflüchtete als „Aufrührer“ in Gewahrsam zu nehmen. Die Potsdamer Neuesten Nachrichten zitierten damals Kreissprecherin Andrea Metzler: „‘Die Einsatzkräfte holen nun diejenigen raus, die andere Bewohner anstacheln‘ […] Die ‚Aufrührer‘ sollen in den Abschiebe-Gewahrsam nach Schönefeld gebracht werden, wo derzeit Personen zwangsweise untergebracht werden, die sich bei behördlich angeordneter Quarantäne uneinsichtig zeigen.“ Am 30.7. revidierte sie ihre Aussage gegenüber den PNN, dennoch zeigt der Vorfall anschaulich, wie leichtfertig Verantwortliche scheinbar die freiheitsentziehende Maßnahmen bei Geflüchteten in Betracht ziehen.
Geflüchtete selbst haben in den vergangenen Monaten die menschenunwürdigen Quarantänebedingungen immer wieder öffentlich gemacht und bei Sozialarbeitenden und Betreibern eine Verbesserung ihrer Situation gefordert. Es ist zu hoffen, dass die Absonderungshaft nicht als Mittel oder Drohgebärde genutzt wurde, um berechtigte Kritik zu unterbinden.