Wir sind fassungslos, dass sich nach Innenminister Michael Stübgen (CDU) nun auch Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) an der Stimmungsmache gegen Geflüchtete beteiligt. Woidkes Forderung nach einer Ausweitung der Liste sog. sicherer Herkunftsstaaten ist reiner Populismus: Das Konzept unterstellt pauschal, dass Menschen aus den entsprechenden Ländern keine Schutzgründe hätten. Dies steht dem Grundprinzip des Asylverfahrens – einer individuellen, sorgfältigen Prüfung des Asylgesuchs – diametral entgegen. Das Konstrukt der „sicheren Herkunftsstaaten“ geht zu Lasten von rechtsstaatlichen und fairen Verfahren. Es gehört abgeschafft, nicht ausgeweitet.

Dass auch die Brandenburger CDU-Fraktion sich auf dem Rücken von Schutzsuchenden zu profilieren versucht, ist wenig überraschend. Innenminister Stübgen befeuert mit seinen Äußerungen seit Monaten rassistische und rechte Narrative. Rätselhaft bleibt jedoch, wie CDU-Fraktionschef Jan Redmann zu der Aussage kommt, in Brandenburg hätten 70 Prozent der Geflüchteten keine Aussicht auf ein Bleiberecht. Im Jahr 2022 gab es im BAMF bundesweit eine Rekord-Schutzquote in Höhe von 72,3 Prozent (bereinigte Schutzquote). Dazu kommen zahlreiche Anerkennungen durch die Verwaltungsgerichte, da sich etwa 40 Prozent der inhaltlich von den Gerichten überprüften BAMF-Bescheide derzeit als rechtswidrig erweisen. Hier liegt der eigentliche Skandal, den es öffentlich zu thematisieren gälte. Redmann geht hier mindestens höchst fahrlässig mit dem eigenen Unwissen um, in der Hoffnung, Stimmen am rechten Wählerrand zu fischen. Ein verantwortungsvoller Politiker sollte keine Falschinformationen verbreiten.

Stimmungsmache gegen Geflüchtete und plumpe Rufe nach mehr Abschiebungen*, Abschottungsmaßnahmen und Entrechtung tragen in keiner Weise zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen bei der Aufnahme von Schutzbedürftigen bei. Den Kommunen wird durch solche vermeintlich einfachen Scheinlösungen jedenfalls nicht geholfen. Ganz im Gegenteil: Vom Blick auf die tatsächlich erforderlichen Schritte für gesamtgesellschaftliche Verbesserungen für alle Menschen in Brandenburg wird dadurch vielmehr abgelenkt: Was es jetzt braucht, sind ganzheitliche Lösungskonzepte und massive Investitionen in die soziale Infrastruktur, in Kitas, Schulen, Mobilität und den sozialen Wohnungsbau.

Wir fordern alle demokratischen Fraktionen des Brandenburger Landtags auf, sich angesichts des Superwahljahrs 2024 nicht weiterhin gegenseitig mit menschenfeindlichen Forderungen zu übertrumpfen und stattdessen ihre politische Verantwortung ernst zu nehmen. Es braucht konstruktive und nachhaltige Lösungen!

* Viele ausreisepflichtige Geflüchtete können aus sehr guten Gründen – wie etwa einem Abschiebestopp für ihr Herkunftsland oder humanitären wie medizinischen oder familiären Gründen – nicht abgeschoben werden. Zu suggerieren, es gäbe ein Abschiebevollzugs-Defizit, wie dies auch Innenminister Stübgen in den vergangenen Monaten mit der wiederholten Forderung nach einer ‚konsequenten‘ Abschiebungsoffensive immer wieder getan hat, zeugt von einer Ignoranz gegenüber aktuellen Kriegen und Krisen in der Welt und befeuern rechte Narrative.