In seiner Rede im Bundesrat sprach Brandenburgs Innenminister Stübgen zum Gesetzesentwurf des geplanten Chancen-Aufenthaltsrecht und forderte eine „verantwortungsvolle Migrationspolitik“. Statt einer Rückkehroffensive setze der Entwurf mit aufenthaltsrechtlichen Chancen für Menschen in Kettenduldungen falsche Signale.

„Wir fordern, dass Menschen, die seit Jahren in Brandenburg leben, endlich Teil dieser Gesellschaft werden können, anstatt sie der Perspektivlosigkeit zu verdammen. Dafür ist das Chancen-Aufenthaltsrecht ein erster wichtiger Schritt, aber noch lange nicht ausreichend“, so Rola Saleh, Flüchtlingsrat Brandenburg.
Aminata Touré, Ministerin für Soziales, Jugend, Familie, Senioren, Integration und Gleichstellung in Schleswig-Holstein, reagierte im Bundesrat auf Stübgen mit der Frage nach dem dringend nötigen Paradigmenwechsel – wann würde Deutschland endlich als Einwanderungsland anerkannt. Die kleinteiligen Änderungen im Asyl- und Aufenthaltsgesetz reichten nicht aus, um dieser Tatsache gerecht zu werden.

Stübgen hingegen behauptete, die bestehenden Instrumente der Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung genügten und würden bereits„intensiv und erfolgreich“ genutzt. Die Zahlen sehen anders aus. 118 Ausbildungs- und nur 58 Beschäftigungsduldungen wurden in Brandenburg erteilt und das bei 7225 erteilten Duldungen insgesamt. „Uns erreichen ständig Problemanzeigen, wenn es um Ausbildungs- und Beschäftigungsduldungen geht. Ehrenamtliche, (Ausbildungs)betriebe und natürlich die Betroffenen selbst geraten an ihre Grenzen. Sie finden Arbeit und Ausbildung, aber bekommen häufig weder eine Erlaubnis noch eine Aufenthaltsperspektive. Das darf so nicht bleiben!“, so Rola Saleh.

Es braucht Perspektiven für Menschen, die bereits seit vielen Jahren hier (über)leben, in prekärer Lebenslage sind, seit Jahren in Kettenduldungen verharren. Sie müssen bleiben können. Wir fragen gemeinsam mit Aminata Touré: Warum leisten wir uns den Luxus, es Menschen zu verwehren, Teil dieser Gesellschaft zu sein?

Hintergrund:

• Rede von Innenminister Stübgen im Bundesrat: https://www.bundesrat.de/SharedDocs/personen/DE/laender/bb/stuebgen-michael.html

• Rede von Sozialministerin Touré im Bundesrat: https://www.bundesrat.de/SharedDocs/personen/DE/laender/sh/toure-aminata.html

• Zahlen in der Bundesrepublik Deutschland lebender Flüchtlinge mit Stand 30. Juni 2022: https://dserver.bundestag.de/btd/20/032/2003201.pdf

Was ist im Gesetzesentwurf geplant?

Im Gesetzesentwurf zum Chancen-Aufenthaltsrecht ist vorgesehen, die Voraufenthaltszeiten in den sogenannten Bleiberechtsregelungen (§§25a und 25b Aufenthaltsgesetz) zu verkürzen sowie die Altersgrenze für Jugendliche von 21 auf 27 Jahre zu erhöhen, sodass insgesamt mehr Geduldete von diesen Regelungen profitieren können. Im Rahmen des Chancen-Aufenthalts ist außerdem geplant, Geflüchteten, die seit fünf Jahren in Deutschland leben, einen einjährigen Aufenthalt auf Probe zu gewähren, währenddessen sie andere Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel wie Lebensunterhaltssicherung und Identitätsklärung nachholen können. Brandenburg hat dazu bereits eine Vorgriffsregelung getroffen, sodass Menschen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit von den neuen Gesetzen profitieren werden, schon jetzt eine Ermessensduldung beantragen können und dann vor Abschiebung geschützt sind.

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