Landesregierung investiert 1,9 Millionen Euro in weitere Ausgrenzung Geflüchteter und setzt Sündenbockpolitik fort

Brandenburgs Landesregierung hat 1,9 Millionen Euro für die Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber*innen bewilligt. Sie sollen künftig kein Bargeld erhalten und mit einer Chipkarte für sich sorgen müssen. Der Flüchtlingsrat kritisiert diese Entscheidung scharf. „Sie ist Ausdruck einer Politik, die wieder einmal nur zu mehr Ungleichbehandlung beitragen und kein einziges Problem lösen wird.“, so Kirstin Neumann.

Augenwischerei statt Entlastung von Kommunen

Aus der Staatskanzlei heißt es, mit der Einführung der Bezahlkarte würde der Verwaltungsaufwand der Kommunen reduziert, da Barauszahlungen in den Sozialämtern oder Flüchtlingsunterkünften entfielen. Viele Landkreise nutzen allerdings bereits effizientere Lösungen, indem sie Asylbewerberleistungen direkt auf Bankkonten überweisen. Die Umstellung auf ein Bezahlkartensystem ist somit nicht nur umständlich, sondern auch kostspielig – die Landesregierung investiert 1,9 Millionen Euro in eine Maßnahme, die in der Praxis keinen Nutzen bringt. Dieses Geld müsste stattdessen in die soziale Infrastruktur, in Kitaplätze und Schulen, öffentlichen Nahverkehr usw. investiert werden – hiervon würden sowohl Geflüchtete als auch die lokale Bevölkerung profitieren.

Vorbei an Parlament und Zivilgesellschaft

In autokratischer Manier macht Ministerpräsident Woidke Gebrauch von seiner Richtlinienkompetenz, bedient – auf Stimmenfang – die Ressentiments rückwärtsgerichteter Kräfte und hebelt die demokratische Debatte aus.Die Zuordnung zu dem eigentlich fachfremden Innenministerium macht deutlich, dass es hier nicht um die Versorgung von Geflüchteten, sondern um eine ordnungspolitische Maßnahme und den Ausbau von Kontrolle geht.
Woidke missachtet dabei Kritik aus Politik und Zivilgesellschaft. Mit dem „Aufruf für eine sachliche Migrationsdebatte in Brandenburg“ richteten über 1600 Unterzeichnende ihre dringliche Forderung nach einem Ende der Sündenbockpolitik gegenüber Geflüchtete an die Landesregierung (https://www.aufruf-migrationsdebatte-brandenburg.de/). Ein Aufruf, der von der Landesregierung bisher unerhört bleibt.

Rückwärtsgewandt und rechtlich fragwürdig

2011 war die Landesregierung, unter Führung eines SPD-Ministerpräsidenten, noch auf dem Standpunkt, dass Sachleistungen die eigenständige Lebensgestaltung der Betroffenen einschränken. Damals setzte sie sich auch bundesweit für die Abschaffung der Sachleistungen ein. Zwar ist die Bezahlkarte keine Sachleistung in dem Sinne, aber auch sie wird eine eigenständige Lebensführung verhindern: Wie wird damit eine Anwältin bezahlt? Wie können damit Einkäufe auf dem Markt getätigt werden? Wie kann Kindern etwas Taschengeld gegeben werden für Ausflüge mit Schule und Freund*innen?

Die Idee ist zudem rechtlich fragwürdig. Aktuell sind Geldleistungen vorrangig auszuzahlen, dass ist Ergebnis einer Gesetzesänderung von 2015, die sich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts beruft, in dem es hieß: die Menschenwürde sei migrationspolitisch nicht zu relativieren. Das heißt, eine Versorgung mit Sachleistungen aus Gründen der Abschreckung ist nach diesem Urteil nicht möglich. Kirstin Neumann betont: „Nun will die Landesregierung in ihrer Fantasielosigkeit diese Änderungen wieder rückgängig machen und bedient sich dabei rechtspopulistischen Diskursen, die erschrecken.“

Ignorant gegenüber weltpolitischer Lage

Ministerpräsident Woidke behauptet, ein Großteil der zu uns kommenden Menschen würde mit den in Deutschland erhaltenen Leistungen „mafiöse Strukturen“ unterstützen, die weiteren Migrant*innen die Einreise ermöglichen. Es ist nicht nur vollkommen unklar, wie er zu dieser Erkenntnis gelangt. Es ist diffamierend und ignorant gegenüber dem aktuellen weltpolitischen Geschehen. Die meisten der zu uns fliehenden Menschen kommen aus Kriegs- oder Krisenregionen und haben unglaubliches Leid erfahren – das machen auch die Anerkennungszahlen des BAMF deutlich. Aufgrund der zunehmenden Abschottung Europas bleiben ihnen nur lebensgefährliche und ausbeuterische Routen. Statt legale Fluchtmöglichkeiten zu erweitern, schafft die Brandenburger Regierung diese sukzessive ab – so z.B. mit der Abschaffung des Landesaufnahmeprogramms für syrische Flüchtlinge.