Alle Lager abschaffen: Wohnungen statt Massenunterkünfte. EU-Lager evakuieren

Potsdam, 28.5.2020

Aufrufende Organisationen und Gruppen:

Flüchtlingsrat Brandenburg, We’ll Come United Berlin/Brandenburg, Refugees Emancipation, Women in Exile & Friends, International Women* Space, Barnim für Alle, Seebrücke Potsdam, Potsdam Konvoi, polar Potsdam, United Action, FEM- Forum des Empowerments, Teilhabe für Migranten e.V., Pan-African Women’s Network and Liberation Organization (PAWLO) e.V., Jugendliche ohne Grenzen Brandenburg, WE RISE, Theater X und Einzelpersonen

Am 1. Juni 2020 wird in Potsdam für die Evakuierung und Schließung von Lagern sowohl in den griechischen Hotspots als auch in Brandenburg demonstriert. Ab 13:30 gibt es eine Fahrradsternfahrt zu den Potsdamer Sammelunterkünften, um 15 Uhr finden parallel zwei Kundgebungen am Brandenburger Tor und vor dem Landtag statt. 16 Gruppen und Organisationen und weitere Einzelpersonen rufen gemeinsam auf, sich an dem Protest für gleichen Gesundheitsschutz und ein Recht auf selbstbestimmtes Wohnen für alle Menschen zu beteiligen! „Wegen der Corona-Beschränkungen haben wir entschieden, uns auf vier Fahrraddemos und zwei Kundgebungen aufzuteilen – alle mit den gleichen Forderungen“, erklärt Mustafa Hussien von We’ll Come United Berlin/Brandenburg das Aktionskonzept. Seit Donnerstag dürfen wieder Versammlungen mit bis zu 150 Menschen unter freiem Himmel stattfinden. Selbstverständlich finden die Aktionen unter Einhaltung der Abstandsregeln und mit Mund-Nasen-Schutz statt.

Menschen, die gezwungenermaßen in Massenunterkünften untergebracht werden, wie geflüchtete, obdachlose oder prekär beschäftigte Menschen, sind insbesondere zu Zeiten der Covid-19-Pandemie besonderen Risiken ausgesetzt. Schutzsuchende leben in Brandenburg häufig unter besonders beengten Bedingungen in Sammelunterkünften, in denen Abstandsregeln nicht einhaltbar sind. Hohe Infektionsraten und Kettenquarantänen ganzer Unterkünfte sind die Folge. Außerdem sind Diskriminierungen an der Tagesordnung: So wurde in Doberlug-Kirchhain die einzige Busverbindung von der Erstaufnahmeeinrichtung in die Stadt eingestellt. In Hennigsdorf wurden Geflüchtete, deren Quarantäne endete, mit Bändchen gekennzeichnet. Die Situation ist enorm belastend für die Betroffenen. Nach fünfwöchiger Quarantäne schreibt eine Mutter aus der Hennigsdorfer Sammelunterkunft dazu: „Dies zeigt die Gleichgültigkeit derer, die dies tun. Jedes Problem hat eine Lösung, aber niemand kümmert sich um uns. Ich habe drei Kinder, die in diesem Haus eingesperrt sind. Ich habe keine andere Wahl, als sie mit Cartoons zu unterhalten. Das ist schlecht für ihre Gesundheit, sie werden nervös und traurig. Ich hoffe wirklich, dass die Quarantäne endet, weil ich nicht mehr auf das Leiden meiner Kinder eingehen kann.“

Die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF e.V.) hat am 19.05.2020 eine umfassende Recherche zu den „Psychosozialen Folgen des Lebens in Sammelunterkünften für geflüchtete Kinder“ veröffentlicht. Daraus geht hervor: Massenunterkünfte machen Kinder krank; mit der Corona-Krise brechen auch die letzten Schutzfaktoren weg.

Offenbar wird eine Durchseuchung und damit Gefährdung der Bewohner*innen von Sammelunterkünften in vielen Teilen Brandenburgs bewusst in Kauf genommen. Dabei gibt es bereits mehrere einschlägige Gerichtsurteile, die besagen: Abstand halten, Kontaktbeschränkungen und ein effektiver Seuchenschutz sind in Sammelunterkünften nicht möglich. Den positiven Beschlüssen verschiedener Verwaltungsgerichte zur Umverteilung von Geflüchteten aus Sammelunterkünften aufgrund der COVID-19 Pandemie muss nun eine politische Lösung folgen: Es ist längst an der Zeit, dass die Landesregierung Konzepte für die Unterbringung von Geflüchteten in Wohnungen erarbeitet und nicht weiter auf Massenunterbringung setzt. Es bedarf jetzt eines Richtungswechsels, weg von Sammelunterkünften mit Mehrbettzimmern und fehlender Privatsphäre hin zu Wohnungen mit Zugang zu Schulen, öffentlichem Nahverkehr, Kultur und Nachbarschaft.

Im Potsdamer Stadtparlament wird am 3. Juni über einen Antrag zur Auflösung von Gemeinschaftsunterkünften für Flüchtlinge abgestimmt. Der Antrag begründet sich auf das Potsdamer Integrationskonzept, dass eine „zügige Wohnungsversorgung und die strukturelle Verbesserung der Nachbarschaftsverhältnisse“ vorsieht.

EU-Lager evakuieren – Flüchtlingsaufnahme jetzt

Schon lange vor dem Ausbruch der Pandemie machten sich zahlreiche zivilgesellschaftliche Initiativen im Rahmen der Seebrücke-Bewegung für die Aufnahme von Geflüchteten aus den Elendslagern auf den griechischen Inseln stark. Nach wie vor leben dort zehntausende Menschen hinter Stacheldraht und Zäunen, ohne ausreichende medizinische Versorgung, warmes Wasser, eigene Toiletten und Duschen.

Erst vor kurzem hat die Landesregierung gegenüber dem Bund die Bereitschaft zur Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen aus griechischen Flüchtlingslagern erneuert. Das kann nur ein Anfang sein. Neben unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen müssen auch Kranke, Alte, Familien und Alleinreisende gerettet werden. Das Demo-Bündnis fordert die Landesregierung auf, mit einem  Landesaufnahmeprogramm dem Leiden der Schutzsuchenden in den griechischen Hotspots endlich ein Ende zu setzen und das Anliegen der vielen solidarischen Initiativen in Brandenburg ernst zu nehmen. Aus mehreren Rechtsgutachten (März 2020: Redeker, Sellner, Dahs; März 2020: Rosa Luxemburg Stiftung) geht hervor, dass die Bundesländer auch eigenständig und ohne Zustimmung der Bundesregierung agieren können, um Schutzsuchende aufzunehmen.

Teltow, Potsdam, Potsdam-Mittelmark, Schöneiche, Fürstenwalde/Spree und Neuruppin sind bereits „sichere Häfen“ in Brandenburg. Das Bündnis ruft weitere Landkreise und Kommunen dazu auf, sich anzuschließen, um nun auch die Landes- und Bundesregierung zum Handeln zu bewegen.

Informationen zur Demonstration am 01. Juni in Potsdam

13:30 Uhr Start der Fahrrad-Demos

1. Nord-Route: Start an GU Lerchensteig 49-51 → GU David-Gilly-Str. 5 → Brandenburger Tor

2. Süd-Route: Start an GU Handelshof 20 → GU An der Alten Zauche 2b →GU An den Kopfweiden 30 → Landtag

3. West-Route: Start an GU An der Pirschheide 13 → GU Zeppelinstr. 55 → GU Dortustraße 45a → Landtag

4. Ost-Route: Start an GU Grotrianstr. 13 → GU Konsumhof 1-5 → Brandenburger Tor

15:00 Uhr Start der Kundgebungen in Potsdams Innenstadt
zeitgleich am Brandenburger Tor, und Landtag, Haltestelle Alter Markt

Zur Koordinierung der Teilnehmer*innen der Fahrradsternfahrt wird dieser Kalender genutzt: https://terminplaner4.dfn.de/abolishallcamps. Damit alle Teilnehmenden sicher demonstrieren können, muss der Mindestabstand von 1,50 m eingehalten und ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden!

#LeaveNoOneBehindNowhere #CloseTheCamps

Pressekontakt

Flüchtlingsrat Brandenburg: 0331/ 71 64 99, info@fluechtlingsrat-brandenburg.de

Fatuma Musa Afrah, United Action e.V.: 01512 4310055, info@united-action.de