Newsletter
Flüchtlingsrat Brandenburg
Januar 2020

Fachinformationen
Fortbildungen und Veranstaltungshinweise
Flüchtlingspolitische Nachrichten
Publikationshinweis

 

 

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Interessierte!

seit Herbst 2015 gibt es weitreichende Gesetzesverschärfungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht. Im November haben wir hierüber auf der Fachtagung  der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) gesprochen. Thema der Tagung: „Freiwilliges Engagement stärken! Für ein selbstbewusstes Ehrenamt für und mit Geflüchteten“. Im Rahmen einer Gesprächsrunde konnten wir über die Auswirkungen der Gesetzesverschärfungen für Geflüchtete und die Veränderungen des gesellschaftlichen Klimas sprechen. Aus unserer Sicht haben wir es mit einer bizarren, kontroversen und sich widerstrebenden Gleichzeitigkeit zu tun: Auf der einen Seite Solidaritätsbewegungen für verschiedene Anliegen, eine Verengung des Diskurses und der bedrohliche Versuch der Diffamierung und Kriminalisierung der demokratischen Zivilgesellschaft auf der Anderen.

„Wir erleben eine absolute Gleichzeitigkeit – Die Gleichzeitigkeit von solidarischen Initiativen und parallel der aufsteigende Hass und Populismus in der Gesellschaft“, Katharina Müller vom Flüchtlingsrat Brandenburg.

 Solidarische Koalitionen wie das Bündnis #unteilbar machen Mut. Sie positionieren sich klar gegen Rechtspopulismus und Rassismus. Gemeinsam wird Solidarität verteidigt und sich für eine offene Gesellschaft eingesetzt.

Hierfür bekannt ist auch Newroz Duman. Sie ist ein bekanntes Gesicht der Selbstorganisation „Jugendliche ohne Grenzen“ (JoG) und setzt sich als Aktivistin öffentlich für die Rechte von Geflüchteten ein. Nun werden Menschen gesucht, die Newroz Duman in ihrem Engagement unterstützen möchten.

„Newroz ist Anfang Dezember in den Kreis der „Bewegungsarbeiter*innen der Bewegungsstiftung“ aufgenommen worden. Hier können sich Menschen bewerben, die sich in besonderer Weise in der Vernetzung sozialer Bewegungen engagieren. Die Stiftung unterstützt damit Vollzeitaktivist*innen, allerdings nicht durch direkte Finanzierung, sondern indem sie einen rechtlichen Spendenrahmen schafft. Das Konzept ist einfach: Verschiedene Einzelpersonen werden Pate oder Patin und spenden monatlich einen Beitrag ab 10,- Euro, der steuerlich absetzbar ist.“ (Aus dem Aufruf der Bewegungsstiftung.) Weitere Informationen zu Newroz Duman und zur Möglichkeit, sie als Pat*in zu sponsern, finden sich hier:
https://www.bewegungsstiftung.de/foerderung0/bewegungsarbeiter/duman.html

Mit besten Grüßen und für ein solidarisches Jahr 2020
Katharina Müller (Geschäftsstelle) und Jürgen Weber

Fachinformationen

‚Kürzungen der AsylbLG-Leistungen für Alleinstehende nicht verfassungskonform‘
Bereits Ende Oktober 2019 ist das Sozialgericht Landshut
zu der Auffassung gelangt, dass die Einstufung von erwachsenen alleinstehenden in Gemeinschaftsunterkünften untergebrachten Empfänger*innen von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in die Regelbedarfsstufe 2 voraussichtlich verfassungswidrig sein dürfte (dort: § 2 AsylbLG). Nun bestehen auch für das Sozialgericht Hannover erhebliche Zweifel (Beschluss v. 20. Dezember 2019) an der Verfassungskonformität der Einstufung (hier: § 3a AsylG). Das Sozialgericht Hannover gewährt in diesen Fällen Eilrechtsschutz.

Fortbildungen und Veranstaltungshinweise

„Wo komm’wa denn da hin? Normalisierung rechtsradikaler Politik“. Eine Diskussionsveranstaltung der Initiative „Kein Forum für rechte Kader“ in Kooperation mit dem VVN – BdA Brandenburg. Freitag 24. Januar um 18.00 Uhr im Potsdam Museum – Forum für Kunst und Geschichte, Am Alten Markt 1, 14467 Potsdam. Der Flüchtlingsrat Brandenburg ist Erstunterzeichner der Erklärung „Kein Forum für rechte Kader“.

Offene Sitzung des Flüchtlingsrats am 29. Januar 2020 um 17.00 – 19.00 Uhr im
Projekthaus, Rudolf-Breitscheid-Straße 164 in 14482 Potsdam-Babelsberg.
Einladung mit vorläufiger Tagesordnung

In der Fortbildungsveranstaltung der Diakademie “Aktuelle Änderungen im Ausländerrecht und im Dublin-Verfahren” (für Einsteiger*innen) am 26. Februar 2020 werden aktuelle Probleme bei der Anwendung der Dublin-Verordnung sowie die bisherigen Auswirkungen der 2019 eingeführten Änderungen dargestellt und diskutiert.

Save-the-date: Am 12. März wird die bündnisgrüne Landtagsfraktion unter dem Titel Abschiebezwang und Bleibeperspektive im Landtag Brandenburg ab 18.00 Uhr ein Fachgespräch zu den aktuellen Entwicklungen in der Asylpolitik durchführen. Kurze Inputreferate sollen Schlaglichter auf die Folgen des „Geordnete-Rückkehr“-Gesetzes sowie die Auswirkungen auf die Geflüchtetenarbeit in Brandenburg werfen. Vor allem soll ein Raum für gemeinsame Diskussionen und Vernetzung geschaffen werden. Eine Einladung mit Programm folgt in den nächsten Wochen.

Save the date: 21. März Internationaler Tag gegen Rassismus. Ausgerufen wurde der Internationale Tag gegen Rassismus von den Vereinten Nationen (UN) zum Gedenken an die Proteste im südafrikanischen Sharpeville am 21. März 1960, die blutig von der Polizei im damaligen Apartheidsregime niedergeschlagen wurden. Informationen zu Aktivitäten in Deutschland

Flüchtlingspolitische Nachrichten

Kommunen drängen darauf, Geflüchtete aufzunehmen

„Beim Thema Aufnahmerecht sollten wir, was Flüchtlingspolitik angeht, den Kommunen größeres Mitspracherecht einräumen“, sagte Miriam Koch, Leiterin des Amtes für Migration und Integration in Düsseldorf, nach einer Pressekonferenz in Berlin am 13. Januar der Tageszeitung Neues Deutschland. Gemeinsam mit dem Potsdamer Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) vertrat sie im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin die 120 im Netzwerk „Sichere Häfen“ organisierten Kommunen. Schubert erklärte „mit Zustimmung des Bundesinnenministeriums sei es bereits jetzt möglich, dass Bundesländer Flüchtlinge aufnehmen. In der Vergangenheit hatte es solche Landesprogramme etwa für verfolgte Jesiden gegeben“. Migazin am 14. Januar 2020 Das Bundesinnenministerium bleibt jedoch bei seiner Position, dass Aufnahmezusagen Sache des Bundes sei. Für den 28. Januar wurde nun ein Gespräch zwischen aufnahmebereiten Kommunen und Vertretern des CSU-geführten Innenministeriums vereinbart. Schubert hofft, dass dabei ein „konkreter Weg“ beschlossen werden könne, wie die Geflüchteten aufgenommen werden könnten. Potsdamer Neueste Nachrichten v. 13. Januar 2020

Aufnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge aus Griechenland endlich
umsetzen!
Potsdam hatte am 2. Januar angekündigt, zunächst fünf unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus einem Flüchtlingslager in Griechenland aufnehmen zu wollen. Frankfurt (Oder) hat sich einige Tage später ebenfalls zur Aufnahme von (drei) unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge bereit erklärt (was laut Oberbürgermeister Wilke bei den Bürger*innen „diverse Reaktionen“ ausgelöst hat). Im Sozialausschuss des Kreistags Oder-Spree fragte die Fraktion aus Linken und Piraten nach Aufnahmekapazitäten des Kreises. Zumindest für Fürstenwalde ist laut Märkischer Online-Zeitung vom 13. Januar 2020 eine Aufnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge denkbar.
Angesichts der katastrophalen Lebensbedingungen der Flüchtlinge in Griechenland hat der Flüchtlingsrat bereits im November 2019 die Brandenburger Landesregierung dazu aufgerufen ihrem Versprechen aus dem Koalitionsvertrag nachzukommen sich für die Aufnahme von besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen einzusetzen, und mit der Aufnahme von geflüchteten Minderjährigen aus Griechenland konkret Taten folgen zu lassen. Damit sich auf Bundesebene endlich etwas bewegt, müssen Landes- und Bundespolitiker*innen die aufnahmebereiten Kommunen stärker als bisher unterstützen und gemeinsam mit ihnen humanitäre Verantwortung übernehmen.

Rückgang der Zahl der Schutzsuchenden – eine beunruhigende Nachricht
Die Zahl der Flüchtlinge steigt weltweit – laut der UNO-Flüchtlingshilfe waren es 2019 rund 70,8 Millionen Menschen – doch nach Deutschland schaffen es immer weniger Schutzsuchende. Nach der Asylstatistik 2019 wurden 2019 rund 111.000 Erstanträge gestellt, rund 18.500 (-14,3 Prozent) weniger als 2018. Hinzu kamen rund 31.500 Erstanträge von Kindern, die bereits in Deutschland geboren wurden. Die Gesamtzahl der Erstanträge sank somit von knapp 162.000 im Jahr 2018 auf rund 142.500 im vergangenen Jahr. „Was vom Bundesinnenministerium als Erfolg verkauft wird, geht auf Kosten Schutzsuchender“, sagt Bellinda Bartolucci von Pro Asyl. Der flüchtlingsfeindliche EU-Türkei-Deal ist Teil der bundesdeutschen und europäischen Abschottungspoltik. Pro Asyl: „Die Taktik, den Flüchtlingsschutz auszulagern oder gar zu verhindern, wurde auch im Jahr 2019 erbarmungslos fortgesetzt“. Brandenburg hat 2019 rund 3.560 Asylsuchende neu aufgenommen – sieben Prozent weniger als 2018. (Ministerium des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg, Pressemitteilung Nr. 002/20 vom 16.01.2020)

Abschottung, Tod und Angst dürfen keine „Europäische Lösung” sein
„Fähren statt Frontex und Solidarität statt Ausgrenzung!“ forderten am 9. Januar 2019 borderline-europe, Seebrücke, Women in Exile, Alarm-Phone Berlin u. a. bei einer Kundgebung gegen das „Migrationspolitischen Forums“, das das Forschungszentrum Ausländer- und Asylrecht der Universität Konstanz einmal im Jahr veranstaltet. Thema des diesjährigen Forums: „Agenturen als Rückgrat einer europäischen Lösung“. Bei dem Forum geht es im Kern um die beiden europäischen Institutionen Frontex und EASO, das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen. Durch die Anfang Dezember 2019 In Kraft getretene Verordnung zur Reform von Frontex wurde das Mandat „bedeutend erweitert und der Grenzschutzagentur rechtliche, administrative und finanzielle Autonomie verliehen. So ist Frontex nun für alle Rückkehr-Aspekte sowie die technische und operative Unterstützung der Mitgliedsstaaten verantwortlich. In dem gemeinsamen Statement der zivilgesellschaftlichen Organisationen heißt es weiter: „In der europäischen Migrationspolitik dominiert das Ziel der größtmöglichen Kontrolle über Migrationsbewegungen“. Der Tagesspiegel vom 10. Januar 2020 berichtete. Laut Frontex ist im vergangen Jahr die Zahl der ‚Illegalen‘ Grenzübertritte in die EU zurückgegangen. In Griechenland und auf der Balkanroute nahm der Migrationsdruck aber massiv zu, die Zustände dort sind unhaltbar. Die Grenzschutzagentur hingegen zeigt sich zufrieden. Tagesschau v. 18. Januar 2020

Griechenland baut Haftlager für Flüchtlinge
Nach dem neuen griechischen Asylgesetz, das die konservative Regierung verabschiedet hat und am 1. Januar in Kraft getreten ist, dürfen Geflüchtete nun 18 Monate (bislang 3 Monate) inhaftiert werden. Außerdem wurden die Schutzvorkehrungen für Asylbewerber*innen reduziert, unter anderem durch die Abschaffung der Vorkehrungen für besonders schutzbedürftige Personen. Im Zuge der neuen Gesetzgebung wird auf der griechischen Insel Samos ein neues Flüchtlingslager gebaut. Zukünftig sollen alle auf Samos ankommenden Flüchtlinge bis zu 25 Tagen in geschlossene Haft genommen werden. Danach dürfen ausschließlich Flüchtlinge mit „guten Asylchancen“ das Gefängnis tagsüber verlassen. Die geschlossene Haft kann jedoch ohne Gerichtsurteil um 100 Tage und im Falle einer eventuellen Abschiebung um 18 Monate verlängert werden. Ähnliche Internierungslager sollen bis zum Sommer auch auf den anderen Hotspot-Inseln Lesbos und Chios entstehen, kleinere Lager – wie auf den Inseln Kos und Leros – sollen ebenfalls in geschlossene Camps umgebaut werden. Ein Bericht zur Situation auf Samos auf Spiegel Online am 21. Dezember 2019. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch geht in ihrem Weltreport 2020 auch auf die Menschenrechtssituation von Flüchtlingen in Griechenland ein.

Initiative aus Bad Freienwalde sammelt Sachspenden für Flüchtlinge in Griechenland
Rundfunk Berlin-Brandenburg und Berliner Morgenpost berichteten über die Initiative „Wir packen’s an“. Der Flüchtlingsrat begrüßt die gezeigte Solidarität der vielen Spender*innen über die Landesgrenzen hinaus. „Dass ehrenamtlich Aktive allerdings staatliche Versorgungsaufgaben übernehmen müssen, weist auf ein Versagen der europäischen Regierungen hin“, betont Inga Boecker vom Flüchtlingsrat Brandenburg.

Petition: Die Zivilgesellschaft nützt der Gemeinschaft
Das Bundesfinanzministerium will angeblich noch im Januar 2020 einen Gesetzesentwurf zur Gemeinnützigkeit ins Kabinett einbringen. Die Laufzeit der Petition „Die Zivilgesellschaft nützt der Gemeinschaft“ wurde deshalb verlängert.

Publikationshinweis

Der PARITÄTISCHE Gesamtverband hat eine neue Arbeitshilfe zum Thema Widerruf, Rücknahme und Erlöschen des Schutzstatus herausgegeben. Die vorliegende Arbeitshilfe soll einerseits einen Überblick über die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für Erlöschen, Widerruf oder Rücknahme des Schutzstatus vermitteln. Sie soll andererseits aber auch über die wesentlichen verfahrensrechtlichen Bestimmungen für die Aberkennung eines einmal erteilten Schutzstatus informieren.

Neue Handreichung: Zugang zum Gesundheitssystem für Unionsbürgerinnen und Unionsbürger, Angehörige des EWR und der Schweiz. Die Broschüre wurde herausgegeben von der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e.V. (BAGFW).

Studie: Das Smartphone, bitte! Digitalisierung vonMigrationskontrolle in Deutschland und Europa. Die von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (Berlin) herausgegebene Studie dient der Vorbereitung von Klageverfahren.

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