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Flüchtlingsrat Brandenburg
Dezember 2020

Fachinformationen
Flüchtlingspolitische Nachrichten
Arbeitshilfen und Publikationshinweise/ Sonstiges

 

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Interessierte!

Aktuell stellt uns alle zum zweiten Mal in diesem Jahr die Corona-Pandemie vor große Herausforderungen.

Wir dürfen dabei nicht vergessen, dass die Pandemie geflüchtete Menschen besonders hart trifft und Abstand halten in Sammelunterkünften mitunter sehr schwierig ist.

Der Flüchtlingsrat versucht in der Krise Einzelpersonen zu unterstützen, aber auch immer wieder Problemlagen und Missstände in den Unterkünften in die Öffentlichkeit zu tragen.
Wir setzen uns weiter für menschenwürdige Unterbringung und für die Rechte von Geflüchteten und gegen Abschiebungen ein. Abschiebungen finden nämlich trotz der hohen Infektionszahlen weiterhin statt.

Es finden Sammelabschiebungen statt oder auch Abschiebungen in andere EU-Staaten – so auch nach Griechenland. Das ist besonders absurd: Während die Bundesregierung Asylsuchende und bereits anerkannte Flüchtlinge aus Griechenland ausfliegt, halten deutsche Behörden an Abschiebungen ins dortige Elend fest. Davon betroffen sein könnte auch Feras B. aus dem Sudan. Er lebt in der Erstaufnahme in Brandenburg und ihm droht die Abschiebung nach Griechenland.

Treten wir auch 2021 weiter für die Rechte von geflüchteten Menschen ein!
Ihr und euer Team des Flüchtlingsrat Brandenburg

PS: Die Geschäftsstelle ist vom 21.12.2020 bis 3.1.2021 geschlossen. Ab dem 4.1.2021 sind wir dann wieder erreichbar.

Fachinformation

Der EuGH hat am 19. November mit seinem Urteil zur Anerkennung von Kriegsdienstverweigerern (und Deserteuren) aus Syrien als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention einer fragwürdigen Praxis des BAMF und der Rechtsprechung in Deutschland deutlich widersprochen. Pressemitteilung des EuGH mit Link zum Urteil Kriegsdienstverweigerer aus Syrien, denen in den letzten Jahren in Deutschland die Flüchtlingseigenschaft verweigert wurde und deren Verfahren schon rechtskräftig abgeschlossen ist, sollten jetzt mit einer Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt prüfen, ob ein Folgeantrag gestellt werden sollte. Für diesen Schritt haben Betroffene bis 19. Februar 2021 Zeit. Informationen zu Folgeanträgen von syrischen Kriegsdienstverweigerern gibt es bei PRO ASYL.

Flüchtlingspolitische Nachrichten

Im Gedenken an Amadeu António
Zum Todestag von Amadeu Antonio Kiowa versammelten sich am 6. Dezember 2020 rund 300 Menschen an seinem Gedenkstein in Eberswalde. Dass eine Auseinandersetzung mit diesem Thema nach wie vor notwendig ist, machen die Stimmen von zivilgesellschaftlichen Akteur*innen aus Eberswalde und der Region deutlich. Bei der Kampagne „Light me Amadeu“kann der Aufruf zum Gedenken nachgelesen werden. Verschiedene Medien berichteten, unter anderem rbb24, 7. Dezember und 24. November, die taz vom 6. Dezember.

Landesrechnungshof kritisiert Landkreise
Die Landkreise Märkisch-Oderland und Potsdam-Mittelmark sollen sich hohe Zuschüsse für leerstehende Plätze vom Land erstatten lassen haben, aber – trotz Leerstand – weniger Schutzsuchende aufgenommen haben, als sie sollten. Potsdamer Neueste Nachrichten, 7. Dezember.

Aus den Antworten des Innenministeriums auf Anfragen der Linke-Landtagsabgeordneten Johlige geht hervor, dass es in den ersten drei Quartalen dieses Jahres in Brandenburg 160 Angriffe auf Geflüchtete und Unterkünfte gegeben hat. Dies sind jedoch vorläufige Zahlenangaben. Märkische Oderzeitung, 28. November.

„Geflüchtete Frauen in Erstaufnahmelagern: Flucht vor Gewalt in Gewalt“
Am internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen protestierte Women in Exile & Friends vor dem BAMF und dem Erstaufnahmelager in Eisenhüttenstadt: Abschaffung aller Lager – Lager sind kein sicherer Ort für Frauen und Kinder. „Das Lager ist nicht nur ein gefährlicher Corona-Hotspot. Es ist auch ein Hotspot für sexuelle Übergriffe und Belästigungen gegen Frauen, insbesondere Lesben. Lesben und Transpersonen werden diskriminiert und von den Behörden nicht geschützt“, heißt es in der Pressemitteilung zur Kundgebung. Artikel zu der Protestkundgebung gab es unter anderen in der taz vom 25. November und am 1. Dezember.

Einen sofortigen Abschiebestopp fordert die Initiative „Barnim für alle“ vom Landkreis Barnim. In einem Artikel der Märkischen Oderzeitung im Oktober verkündete der Landkreis Barnim in diesem Jahr bereits sechs Menschen abgeschoben zu haben. Barnim für alle: „Trotz der weltweiten Covid19-Pandemie Abschiebeflüge zu organisieren ist unverantwortlich … Die für Abschiebungen zuständigen MitarbeiterInnen der Ausländerbehörde sollten stattdessen in der Gesundheitsbehörde bei der Bekämpfung der Covid19-Pandemie eingesetzt werden.“ Pressemitteilung, 25. November.

Petition unterstützen: Für einen dauerhaften Aufenthaltstitel für Familie Barjamovic!
Vadica und Kadena Barjamovic leben seit 2011 mit ihren Kindern in Magdeburg. Nun droht ihnen die Abschiebung nach Serbien. Ein Video über die Situation und den Link zur Petition sind hier zu finden.

Abschiebestopp nach Syrien erstmals seit 2012 nicht verlängert
Die Nicht-Verlängerung des Abschiebestopps nach Syrien, der die Innenminister der Union auf der Innenministerkonferenz im Dezember zugestimmt haben ist „eine Schande für den Rechtsstaat und von der Sache her unverantwortlich. Unionsinnenminister zielen darauf, die Union für Rechtspopulisten wählbar zu machen“, kommentiert Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL die Entscheidung. Der Flüchtlingsrat Brandenburg appelliert an die Landesregierung, einen landeseigenen Abschiebestopp nach Syrien in eigener Verantwortung zu erlassen. Warum die Lage in Syrien keine Abschiebungen rechtfertigt, hat PRO ASYL unter anderem hier beschrieben. Anlässlich der Innenministerkonferenz forderten mehr als 40 Organisationen und Verbände zudem ein bundesweites Abschiebungsmoratorium.

Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung für unbegleitetes 9-jähriges Kind aus Moria
In einer gemeinsamen Pressemitteilung vom 1. Dezember verurteilen das Beratungs- und Betreuungszentrum für junge Geflüchtete und Migrant*innen BBZ, Flüchtlingsrat Berlin e.V., Berliner Netzwerk für besonders Schutzbedürftige (BNS), Seebrücke Berlin, Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge BumF e.V. und Xenion e.V. Abschiebungsandrohungen gegenüber Flüchtlingskindern.

Für das Recht auf Familiennachzug für Geflüchtete aus Eritrea
PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräte unterstützen gemeinsam mit der Initiative Familiennachzug Eritrea die Forderung der Geflüchteten nach schnellen und unbürokratischen Visumverfahren für den Familiennachzug. Gemeinsame Pressemitteilung von PRO ASYL und Landesflüchtlingsräte, 27. November. Die taz vom 2. Dezember berichtete über die Dauermahnwache eritreischer Flüchtlinge vor dem Kanzler*innenamt am 30.November/ 1. Dezember.

Gerichte heben tausende Afghanistan-Bescheide auf
Von Januar bis September 2020 haben die Verwaltungsgerichte Schutzsuchenden aus Afghanistan in 5.644 Fällen Schutz gewährt, den ihnen das BAMF zuvor rechtswidrig vorenthalten hat. Die Quote fehlerhafter BAMF-Bescheide in Bezug auf Afghanistan liegt damit für diesen Zeitraum bei 59,1 Prozent. Die Zahlen stammen aus einer Antwort der Bundesregierung vom 23. November auf eine schriftliche Frage von Ulla Jelpke von der Linksfraktion im Bundestag. Die Quote bezieht sich auf die von den Gerichten inhaltlich überprüften und entschiedenen Fälle, formelle Erledigungen, bei denen über die Schutzbedürftigkeit der Klagenden gar nicht entschieden wurde (z.B. im Dublin-Verfahren), bleiben außer Betracht (in der Medienberichterstattung ist irrtümlich davon die Rede, dass es 9.557 Klagen gegeben habe – diese Angabe wurde jedoch nicht erfragt; die Antwort enthält die Zahl der entschiedenen Klagen: 13.335 abzüglich 3.717 sonstige Erledigungen, das sind 9.557 inhaltlich entschiedene Klagen). Über die Antwort der Bundesregierung wurde vielfach berichtet, unter anderem
https://www.tagesschau.de/inland/asyl-fluechtlinge-gericht-101.html
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-12/fluechtlinge-afghanistan-ablehndende-asylentscheidungen?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F
https://www.migazin.de/2020/12/07/knapp60-prozent-bamf-asylbescheide-afghanen/?utm_source=mailpoet&utm_medium=email&utm_campaign=MiGLETTER

Arbeitshilfen und Publikationshinweise/ Sonstiges

Anlässlich des aktuellen Urteils des Europäischen Gerichtshofs veröffentlichte der Paritätische Gesamtverband im November 2020 eine Arbeitshilfe für die Beratung von Unionsbürger*innen mit Aufenthaltsrecht nach Art. 10 der EU-Verordnung 492/2011 (Schulkinder mit ehemals erwerbstätigen Eltern).

Vom Paritätischen gibt es auch die Arbeitshilfe Ausbildung und Arbeit als Wege zu einem sicheren Aufenthalt? Die Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung erschienen. Autorin ist Kirsten Eichler (GGUA Münster). Oktober 2020.

Studie: Vielfältig engagiert – breit vernetzt – partiell eingebunden? Migrantenorganisationen als gestaltende Kraft in der Gesellschaft. Hrsg. Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR), Dezember 2020.

Handicap International e.V. hat gemeinsam mit dem Flüchtlingsrat und vielen weiteren Organisationen das Positionspapier Geflüchtete Menschen mit Behinderung bedarfsgerecht unterbringen. Schutzbedarfe identifizieren veröffentlicht.

Die Ergebnisse des 6. aktualisierten Berichts der Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer – BAfF e. V. verweisen auf einen hohen ungedeckten Bedarf bei Psychotherapie und psychosozialer Unterstützung. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse des 144-seitigen ausführlichen Berichts finden sich in einem 8-seitigen Factsheet. Der Versorgungsbericht online als pdf. Das Factsheet als pdf online unter.

Zum Netzwerktreffen der „Bundesinitiative zum Schutz geflüchteter Menschen in Flüchtlingsunterkünften“ veröffentlichte der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) den neuen Leitfaden für die Praxis – LSBTI*-sensibler Gewaltschutz für Geflüchtete.

Im diesjährigen Bericht des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR) zur Menschenrechtssituation in Deutschland befasst sich eine Studie mit dem Thema „Abschiebung und Krankheit: Perspektiven aus der Praxis und menschenrechtliche Verpflichtungen“ (S. 73-122).

In einer Studie des DIMR vom Oktober 2020 werden die relevanten Verpflichtungen analysiert, die sich aus der Internationalen Konvention zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen (ICPPED) im Hinblick auf verschwundene Migrant*innen und Flüchtlinge ergeben. Die Studie ist vor allem in Hinblick auf Push backs nach Libyen und die Kooperation mit der Küstenwache interessant, aber auch wegen der Verpflichtung der Vertragsstaaten zur Suche nach Verschwundenen und Strafverfolgung.

Der Bericht Stigmatisiert, inhaftiert, kriminalisiert – Der Kampf gegen vermeintliche ‚Schleuser‘ auf den griechischen Hotspot-Inseln (Dezember 2020) von borderline-europe in Zusammenarbeit mit Deportation Monitoring Aegean und Aegean Migrant Solidarity (ehemals Christian Peace Maker Team), steht sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch hier zum Download bereit.

UNICEF-Studie: Schutz von Kindern in Flüchtlingsheimen nicht ausreichend. November 2020. In einem Artikel fasst das Migazin vom 8. Dezember die zentralen Ergebnisse der Studie zusammen.

Im Rahmen des partizipatorischen Forschungsprojektes Women*s Science haben neun Forscherinnen ehrenamtlich zu unterschiedlichen Aspekten des Themas gesellschaftliche Teilhabe von Frauen mit Fluchterfahrung geforscht. Der Kurzfilm Women´s Science. Situationen, Bedarfe und Visionen geflüchteter Frauen gibt einen Einblick in das Projekt.

Der Dokumentarfilm Exodus – Der weite Weg kann ab sofort über Vimeo ausgeliehen und gestreamt werden. Weitere Informationen zum Film im Presseheft (Download-Link auf Website).

Dokumentationsserie: Baseballschlägerjahre – Die Wendegeneration und die rechte Gewalt Sechs Filme über die 90er Jahre, die einen Bogen in die Gegenwart schlagen. Ein Projekt von ZEIT-ONLINE und rbb. Die einzelnen Beiträge sind auf der Website und dem Instagram-Kanal von ZEIT ONLINE sowie in der ARD-Mediathek und auf den YouTube und Facebook-Kanälen des rbb verfügbar.

Rechts und radikal – Warum gerade im Osten? Dokumentation zum Thema Neonazis in der DDR und die Folgen bis heute. Das Video ist in der ARD-Mediathek bis 14. Dezember 2021 verfügbar.

Stellenausschreibung Die Werk-statt-Schule e.V. in Northeim sucht ab sofort Sozialpädagog*innen (m/w/d) für die Migrationsberatung für die Standorte Northeim und Osterode in Teil- oder Vollzeit.

 

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