PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräte fordern zum heutigen Bund-Länder-Gipfel zur Aufnahme der Geflüchteten aus der Ukraine, dass nicht nur ukrainische Schutzsuchende, sondern auch geflüchtete Menschen aus anderen Ländern ins Sozialhilfesystem integriert werden. Denn die Menschenwürde gilt für alle.
Heute trifft sich Bundeskanzler Olaf Scholz mit den Ministerpräsident*innen der Bundesländer, um über die Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine und die Finanzierungsverteilung zwischen Bund und Ländern zu sprechen. Bislang sieht das Gesetz vor, dass sie auch mit dem Status des „vorübergehenden Schutzes“ Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen, die geringer ausfallen als die reguläre Sozialhilfe. Auf der Ministerpräsident*innenkonferenz soll nun diskutiert werden, die ukrainischen Geflüchteten schneller in die normale Sozialhilfe einzugliedern.
PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräte unterstützen diesen Vorschlag, fordern aber, alle Menschen sozialrechtlich gleich zu behandeln, auch Geflüchtete. Denn der verfassungsrechtlich garantierte Schutz der Menschenwürde gilt für alle Menschen in Deutschland, unabhängig von ihrem Aufenthaltstitel. Es ist deswegen richtig, dass über einen leistungsrechtlichen Systemwechsel gesprochen wird – aber dieser muss grundsätzlich und für alle nach Deutschland geflüchteten Menschen erfolgen. Das Asylbewerberleistungsgesetz gehört endlich abgeschafft, fordern PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräte. Die finanzielle Unterstützung durch das Asylbewerberleistungsgesetz ist niedriger als in der normalen Sozialhilfe und garantiert kein menschenwürdiges Leben, zu dem auch eine ausreichende Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gehört.
Hintergrund zum Asylbewerberleistungsgesetz
Das Asylbewerberleistungsgesetz wurde 1993 als vermeintliche Abschreckungsmaßnahme eingeführt. Es ist verfassungsrechtlich höchst umstritten. In einem wegweisenden Urteil zum Asylbewerberleistungsgesetz 2012 stellten die Verfassungsrichter*innen fest, dass der Anspruch auf das aus der Menschenwürde abgeleitete Existenzminimum deutschen und ausländischen Staatsangehörigen gleichermaßen zusteht. Ein besonders relevantes Fazit aus dem Urteil ist: „Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren“. Das heißt, dass Sozialleistungen nicht zum Abschrecken von Migrant*innen besonders niedrig gehalten werden dürfen.
Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Regeln in dem Gesetz, die sogar über die geringen Leistungen hinausgehende Kürzungen vorsehen – deren Verfassungsmäßigkeit ist insbesondere seit dem Hartz IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2019 mehr als fraglich. Aktuell ist ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zu der 2019 von der letzten Regierung eingeführten Änderung anhängig, nach der alleinstehende Asylsuchende und Geduldete, die in einer Gemeinschaftsunterkunft wohnen, als „Schicksalsgemeinschaft“ zählen und deswegen wie Ehepartner*innen behandelt werden und geringere Leistungen bekommen.
Die neue Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag zum Asylbewerberleistungsgesetz vorgesehen: „Wir werden das Asylbewerberleistungsgesetz im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts weiterentwickeln. Wir wollen den Zugang für Asylbewerberinnen und Asylbewerber zur Gesundheitsversorgung unbürokratischer gestalten. Minderjährige Kinder sind von Leistungseinschränkungen bzw. ‑kürzungen auszunehmen.“ Doch selbst zu dieser Minimallösung sind bislang keine Umsetzungsvorschläge bekannt.