unterzeichnet von:

Women in Exile, Refugees Emancipation, Potsdam Konvoi, Geflüchteten Netzwerk Cottbus, We’ll Come United Berlin und Brandenburg, Bürger*innenasyl Barnim, Jugendliche ohne Grenzen Brandenburg, Seebrücke Potsdam, Migrantenbeirat Potsdam, Flüchtlingsberatungsstelle des ev. Kirchenkreises Oberes Havelland, Barnim für Alle und Flüchtlingsrat Brandenburg

 

Abstandhalten ist unmöglich in vielen Flüchtlingsunterkünften

 

Geflüchtete in Brandenburger Flüchtlingsunterkünften haben aktuell kaum eine Chance, Kontakte zu anderen Menschen zu vermeiden, Abstand zu halten und sich und ihre Familien vor einer Ansteckung mit dem neuartigen Coronavirus zu schützen. Maßnahmen der sozialen Distanzierung treffen sie gleichzeitig in beengten Wohnverhältnissen besonders hart.

 

Die Unterzeichner*innen der Pressemitteilung fordern die Landesregierung zu sofortigen Maßnahmen auf, um Geflüchtete, die aktuell noch in den kommunalen Gemeinschaftsunterkünften sowie den vom Land betriebenen Erstaufnahmestellen untergebracht sind, während der Corona-Pandemie zu schützen. Gerade in diesen Zeiten von Solidarität und breiter Unterstützung innerhalb von Nachbarschaften sollten auch die Rechte von Flüchtlingen gewahrt und nicht vergessen werden.

 

Sogar Menschen, die Risikogruppen angehören, harren in Brandenburg weiterhin in Mehrbettzimmern aus und müssen sich teilweise Bad und Kantine bzw. die Gemeinschaftsküche mit vielen Anderen teilen. Diese Situation ist absolut unverantwortlich: Es ist höchste Zeit, dass hier mutige Entscheidungen getroffen werden, um Risikogruppen sofort zu schützen und Massenunterkünfte perspektivisch leerzuziehen.

 

Die Tourismus-Branche hat Platz

 

Zahllose leerstehende Hotels, Wohnungen und Ferienapartments könnten dafür genutzt werden. Nicht nur Geflüchtete, sondern alle, die gerade kein sicheres Zuhause haben, verdienen jetzt solidarische, pragmatische und schnelle Lösungen (Appell vom 20.3.2020). Das Brandenburger Sozialministerium gibt an, eine Abschottung ganzer Unterkünfte möglichst vermeiden zu wollen. Um das aber realistisch zu ermöglichen muss jetzt gehandelt und müssen alternative Unterbringungsmöglichkeiten kurzfristig gefunden werden.

 

Eine Kantine für 300 in der Erstaufnahme

 

Besonders zugespitzt stellt sich die Lage in der Erstaufnahme und ihren Außenstellen in Doberlug-Kirchhain, Wünsdorf und in Eisenhüttenstadt dar. Firas (Name geändert), ein Bewohner der Erstaufnahme in Wünsdorf fordert: „Die Menschen hier im Lager sollten in Wohnungen verteilt werden. Wenn wir mit 45 Personen zwei Badezimmer teilen, ist die Ansteckungsgefahr für uns groß. Wir sitzen hier mit mehr als 300 Menschen zusammen in der Kantine und essen. Obwohl wir versuchen, Abstand zu halten: Man kann sich selbst oder andere hier sehr leicht anstecken.“

 

Statt Menschen umgehend dezentral unterzubringen, setzt das Land Brandenburg auf einen weiteren Ausbau der Erstaufnahme und bestellt weitere Quarantäne-Container. Schleswig-Holstein zeigt, dass es auch anders geht. Dort gilt: ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen sollen ebenso wie ausreisepflichtige Personen, bei denen in den nächsten Monaten auch wegen der Corona Pandemie eine Ausreise wenig wahrscheinlich ist, auf die Kommunen verteilt werden.

 

„Alle Flüchtlinge und Asylsuchende müssen jetzt in sichere private Wohnungen oder leerstehende Hotelzimmer gebracht werden. Wir sollten nicht vergessen, dass Flüchtlinge auch Menschen sind“, fordert Jafar, der vor kurzem aus der Erstaufnahme in eine Gemeinschaftsunterkunft im Landkreis Oberhavel verteilt wurde.

 

Unsere Forderungen für den Schutz von Geflüchteten in Massenunterkünften:

 

  • Die Belegung in den Erstaufnahmen und den Sammelunterkünften in den Landkreisen muss entzerrt werden.
  • Keine Quarantäne für komplette Sammelunterkünfte!
  • Risikogruppen sind akut bedroht – sie müssen sofort raus aus Massenunterkünften. Auch Geflüchtete, die z.B. als Pfleger*innen oder in anderen systemrelevanten Berufen arbeiten, müssen sofort geeignet untergebracht werden.
  • Klare Anweisungen an Betreiber der Sammelunterkünfte:
    • Bereitstellen von mehrsprachigen Informationen über COVID 19 und über Umgang der Sammelunterkunft mit verschiedenen Situationen. Eine mehrsprachige Hotline wäre sowohl für die Bewohner*innen der GUs als auch für die Mitarbeiter*innen eine wichtige Entlastung.
    • Ausarbeitung von transparenten Pandemie-Plänen: Welche Schritte werden bei Infektionen sowohl bei Bewohner*innen als auch bei Personal unternommen? Wie ist Quarantäne von Einzelpersonen und Unterkunftseinheiten möglich, ohne die gesamte Unterkunft unter Quarantäne zu stellen?
    • Ausgangsbeschränkungen und Kontaktgebote dürfen nicht durch Security kontrolliert werden – dies obliegt allein den staatlichen Ordnungsbehörden!
  • Der kostenlose Internetzugang in allen Unterkünften muss sichergestellt werden, nicht nur auf den Fluren und in Gemeinschaftsräumen, sondern in jedem Zimmer, um Schulaufgaben lösen (auch für Auszubildende, Sprachschüler*innen) und Kontakt zu Verwandten halten zu können.
    • Die technischen Ressourcen, die für das Wahrnehmen des digitalen Schulunterrichts notwendig sind (Laptops, PC oder Tablets, Drucker für die Aufgaben etc.), müssen vor Ort in ausreichender Menge und kostenlos allen Schüler*innen zur Verfügung stehen. Darüber hinaus soll bei der Erstellung der Notpläne berücksichtigt werden, dass viele Kinder und Jugendliche in den GUs eine zusätzliche sozialpädagogische Unterstützung benötigen, um die Herausforderungen des digitalen Unterrichts bewältigen zu können, u.a. weil viele Eltern nicht über ausreichend Deutschkenntnisse verfügen.
  • Zugang zur regulären gesetzlichen Krankenversicherung

 

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