Am Dienstag Abend versuchten wir, gemeinsam mit dem Hennigsdorfer Ratschlag und der Initiative „Willkommen in Oberhavel“ und dem Oranienburger Generalanzeiger die von hunderten LeserInnen gespendeten Weihnachtspäckchen an die BewohnerInnen der Unterkunft in Stolpe-Süd zu verteilen. Die Aktion wurde vom Sozialamt des Landkreises jäh unterbrochen, Presse und den beteiligten Initiativen ein sofortiges Besuchsverbot erteilt. Nach öffentlicher Kritik begründete der Landkreis gegenüber der Zeitung Neues Deutschland den Rausschmiss damit, dass die Unterkunft „zu voll“ (!) sei, im übrigen kein öffentlicher Raum, den man so zu sagen willkürlich aufsuchen könne und schließlich der Abbruch der Geschenkübergabe zur „Schutz der Flüchtlinge“ erfolgt sei.1
Diese Darstellung ist schlicht falsch und die Begründung so paternalistisch wie abstrus. Die BewohnerInnen beschwerten sich nicht über unseren Besuch, die Zahl der BesucherInnen war sehr begrenzt und es handelte sich um persönliche Besuche, die keineswegs willkürlich erfolgten, sondern angekündigt waren und erwartet wurden. Die Initiativen und der Flüchtlingsrat kannten die Flüchtlinge, die uns erwarteten. Es war überdies niemals angedacht, den Gemeinschaftsraum zu nutzen, sondern die Flüchtlinge persönlich in ihren Räumen zu besuchen und die gespendeten Pakete an Sie und ihre Freund_innen zu übergeben.
Mit dem Rausschmiss verletzte die Verwaltung das Recht der BewohnerInnen der Unterkunft auf Besuch. In den persönlichen Wohnräumen der Übergangsunterkünfte gilt der Schutz der Wohnung nach § 13 GG. Dieser beschreibt im positiven Sinne, dass BewohnerInnen das Recht haben, Dritten Zutritt zu gewähren und zu entziehen. 2 Das gilt insbesondere für Schlaf-und Wohnräume. Hinzu gilt ebenso im positiven Sinne das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach § 2 GG, nachdem der/die Einzelne ein Recht auf Privatsphäre und Entfaltung der Persönlichkeit hat „sich selbst überlassen ist oder mit anderen Personen seines besonderen Vertrauens verkehren kann“.3 Zudem regelt die europäische Aufnahmerichtlinie, dass einschlägige NGOs Zugang zu Übergangswohnheimen für Flüchtlinge haben müssen, dazu gehört auch der Flüchtlingsrat Brandenburg.
Auch weisen wir die Begründung des Landkreises, die Geschenke sollten in einem Raum ausserhalb der Unterkunft übergeben werden, weil es angeblich unserem Anliegen als Initiativen entspreche „dass diese unter Menschen gehen und Kontakte zu Einheimischen außerhalb des Heims suchen sollten“ als absolut absurd zurück. Dies zeigt ein völlig falsches Verständnis von Integration als Einbahnstraße, die vor allem von den Geflüchteten selbst ausgehen soll. Dass dazu auch ein Besuch in der Unterkunft gehört, fällt der Landkreisverwaltung offenbar gar nicht erst ein.
Wir fragen uns also nach wie vor: Unabhängig von den Einzelheiten, die zwischen dem OGA und dem Landkreis abgesprochen wurden, auf welcher Grundlage und mit welcher Absicht wurde den Geschenke verteilenden Initiativen als BesucherInnen ein Zugangsverbot erteilt und ihnen mit der Polizei gedroht?
1 ND 19.12.2014 Flüchtlingsrat Brandenburg: Landkreis behindert Geschenkaktion für Asylsuchende
2 Siehe dazu ein Gutachten des BMFSFJ zur Besuchsregelung in Alten- und Pflegeheimen, z.B. ab S. 35
3 Siehe Seite 44. des Gutachtens.
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