Am Freitagmorgen sind die ersten über die neu aufgebaute ‚Luftbrücke‘ aus Afghanistan ausgeflogenen Ortskräfte mit Familienangehörigen in Brandenburg angekommen. Nach einem kurzen Aufenthalt in der Erstaufnahme in Doberlug-Kirchhain sollen sie auf die Bundesländer verteilt werden. Der Flüchtlingsrat Brandenburg begrüßt das Signal von Innenminister Stübgen, darüber hinaus auch langfristig afghanische Flüchtling aufnehmen zu wollen. Allein auf das geforderte Bundesaufnahmeprogramm für Ortskräfte und andere vulnerable Personengruppen aus Afghanistan zu verweisen, reicht jedoch nicht aus. Brandenburg muss zu diesem Zweck ein eigenes Landesaufnahmeprogramm für besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen schaffen.

Es ist schon eine bemerkenswerte, durchaus zynische Kehrtwende, die die Landesregierung plötzlich nimmt: Zuletzt wurde aus Brandenburg im Juli diesen Jahres ein 36-jähriger Afghane nach Kabul abgeschoben[1]. Auf Basis geschönter Lageberichte des Auswärtigen Amtes hat Brandenburg bis zuletzt an der Politik der Abschiebungen festgehalten. Was wir jetzt brauchen, ist eine unbürokratische Aufnahme von Flüchtlingen aus Afghanistan und ein Bleiberecht für die Afghanen und Afghaninnen, die bereits in Brandenburg leben[2]“, kommentiert Lotta Schwedler von Flüchtlingsrat Brandenburg die aktuelle Lage.

 

Die Landesregierung muss…

  • allen in Brandenburg nur geduldeten Afghan*innen anstelle von Kettenduldungen eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis wegen Unmöglichkeit der Rückkehr erteilen,
  • die schnelle und unbürokratische Aufnahme aller Familienangehörigen in Brandenburg lebender Geflüchteter sicherstellen, den Nachzug erweiterter Familienangehöriger über die Kernfamilie hinaus großzügig erlauben, und sich beim Bund für beschleunigte, ggf. im Inland nachzuholende Visaverfahren zum Familiennachzug einsetzen,
  • eine Landesaufnahmeregelung für geflüchtete Afghan*innen innerhalb Afghanistans sowie aus Nachbar- und Transitstaaten vorlegen. Hier müssen insbesondere vulnerable und gefährdete Afghan*innen Berücksichtigung finden, wie Frauen und Kinder, kranke Menschen und Menschen mit Behinderung, kritische Journalist*innen und Wissenschaftler*innen, Frauenrechts- und Menschenrechtsaktivist*innen, Autor*innen, Künstler*innen, Angehörige religiöser, ethnischer und sexueller Minderheiten usw. Von Verpflichtungserklärungen durch Dritte zur Sicherung des Lebensunterhaltes ist unbedingt abzusehen,
  • sich für ein Bundesaufnahmeprogramm zur unbürokratischen sofortigen Aufnahme der genannten vulnerablen und gefährdeten Gruppen aus Afghanistan sowie aus Nachbar- und Transitstaaten einsetzen und für beschleunigte, ggf. im Inland nachzuholende Visaverfahren eintreten,
  • sich beim Bund einsetzen für die Möglichkeit einer Online-Antragstellung und die Ausgabe von Ausnahme-Visa nicht nur in Delhi und Islamabad, sondern bei allen deutschen Botschaften und Konsulaten,
  • sich beim Bund für die sofortige unbürokratische Aufnahme aller Ortskräfte der Bundeswehr und weiterer deutscher Institutionen und ihrer erweiterten Familien einsetzen, d.h. einschließlich der über Subunternehmen beschäftigten Ortskräfte, auch wenn ihre Tätigkeit länger zurückliegt,
  • sich beim Bund für die Aufhebung des Entscheidungsstopps des BAMF und die Schutzgewährung von afghanischen Schutzsuchenden einsetzen,
  • sich beim Bund für eine zeitnahe Überprüfung der offenkundig fehlerhaften Asylablehnungen durch das BAMF und die sofortige Wiederaufnahme der Asylverfahren einsetzen,
  • sich beim Bund für die Einstellung aller Widerrufs- und Rücknahmeverfahren zu Asylverfahren von afghanischen Schutzsuchenden einsetzen,
  • gegenüber dem Bund für eine bundesweite Bleiberechtsregelung für geduldete Afghan*innen eintreten sowie
  • sich beim Bund für einen sofortigen unbefristeten Abschiebungsstopp für Afghanistan stark machen.

In ganz Deutschland gibt es anlässlich der Situation in Afghanistan Demonstrationen. Der Flüchtlingsrat ruft zur Beteiligung an der Demonstration in Berlin auf – am Sonntag den 22. August, ab 13 Uhr!

 

[1]: s. Pressemitteilung vom 8. Juli 2021: In Afghanistan herrscht erbitterter Krieg – Brandenburg schiebt trotzdem weiter ab

[2] Laut Innenministerium leben derzeit rund 500 Afghanen und Afghaninnen mit einer Duldung in Brandenburg. Nicht alle von ihnen sind ausreisepflichtig; beispielsweise auf Grund einer Ausbildungsduldung, die vor einer Abschiebung schützt.

 

Pressekontakt: Flüchtlingsrat Brandenburg, Lotta Schwedler, Tel.: 0176 21 42 5057