Wir möchten auf diesen offenen Brief zur Situation geflüchteter Menschen in den Gemeinschaftsunterkünften des Landkreises Potsdam-Mittelmark hinweisen, dessen Anliegen wir unterstützen! Hier auch als pdf.

Offener Brief an den Landrat des Landkreises Potsdam-Mittelmark

Herrn Marko Köhler

an die Vorsitzenden der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE/ PIRATEN, BVB Freie Wähler-FBB und FDP/BiK-BiT/IGH im Kreistag Potsdam-Mittelmark

Frau Mirna Richel, Herrn Dietmar Otto, Frau Dr. Elke Seidel, Frau Kathrin Menz, Herrn Roland Büchner, Herrn Hans-Peter Goetz

Situation geflüchteter Menschen in den Gemeinschaftsunterkünften – Handlungsbedarf!

Sehr geehrte Damen und Herren,

am 24. August 2022 fand im Rathaus Teltow ein Treffen „Geflüchtete Menschen in Teltow, Kleinmachnow, Stahnsdorf – Über Leben und Alltag in den Gemeinschaftsunterkünften“ (GU) statt. Wir, die Verfasser*in dieses Offenen Briefes, hatten das Treffen mitinitiiert. Unsere Absicht war es einerseits, die in Teltow und Stahnsdorf in GU unterge­brachten geflüchteten Menschen selbst ihre Situation schildern zu lassen; andererseits wollten wir einen Austausch sowohl mit Vertreter*innen des Landkreises Potsdam-Mittelmark (PM) als auch mit haupt- und ehrenamtlichen Unterstützer*innen ermöglichen. An dem Treffen nahmen insgesamt ca. 60 Personen teil.

Die Berichte der Betroffenen machten vor allem eines deutlich: Man fühlt sich mit der sehr schwierigen Situation in den GU mehr oder weniger alleine gelassen und ‚vergessen‘. Viele geflüchtete Menschen wohnen schon seit Jahren in derselben Unterkunft. Probleme bereiten insbesondere die extreme räumliche Enge, fehlende Rückzugsmöglichkeiten und die prekäre Hygienesituation. Diese Zustände führen zu starken physischen und psychischen Belastungen, vor allem bei den Kindern. Hinzu kommen die Hürden beim Arbeits- und Wohnungsmarktzugang, ein unzureichendes Sprachkursangebot, unklare Beratungsmöglichkeiten sowie die mangelnde Funktionsfähigkeit vor allem der Ausländerbehörde.

Uns ist bewusst, dass es seitens des Landkreises und auch des Kreistags verschiedene Aktivitäten zur Verbesserung sowohl der Lebenssituation in den GU als auch der teilhabefördernden Rahmenbedingungen gab und gibt. Nur reich(t)en diese Bemühungen offenkundig nicht aus. Zur Überwindung der bestehenden Probleme und Defizite bedarf es unserer Meinung nach dringend insbesondere folgender Maßnahmen:

  • Verbesserung der Hygiene-Situation in den GU, vor allem schnellere Reaktionszeiten bei Defekten in Sanitär und Küche sowie bei Schädlingsbefall in den Räumlichkeiten. Die landesrechtlichen Vorgaben und Mindeststandards für die Unterbringung sind einzuhalten.
  • Mehr Transparenz und Information über Beratungsangebote, Sprachkurse, Freizeitangebote usw. Hier bietet sich insbesondere eine entsprechende Erweiterung der Integreat-App des Landkreises an. Das Filtern nach Regionen sollte möglich sein. Erklärungen zu einzelnen Angeboten sollten auch in einfacher Sprache verfügbar sein.
  • Ausweitung der Sozialarbeit in den GU (Verringerung des Betreuungsschlüssels von 1:80 auf 1:60).
  • Verbesserung der psychosozialen Betreuung und Beratung – insbesondere für Kinder.
  • Verbesserung des Angebots an Deutsch-Kursen, auch durch Erweiterung des Berechtigtenkreises.
  • Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Ausländerbehörde in Werder (Havel). Die Behörde ist bereits seit geraumer Zeit völlig überfordert (Nichterreichbarkeit, überlange Bearbeitungszeiten, unverständliche Entscheidungen). Dies kann für die Betroffenen zu mitunter empfindlichen Nachteilen führen – bis hin zum Verlust des Arbeitsplatzes. Eine massive Kraftanstrengung aller Verantwortlichen erscheint hier absolut unerlässlich und prioritär.

Gesellschaftliche Teilhabe und Integration geflüchteter Menschen können nur gelingen, wenn es dafür geeignete Rahmenbedingungen gibt. Dies ist im Landkreis PM trotz aller – zweifellos anerkennenswerten – Bemühungen zurzeit nur sehr bedingt der Fall. Wir möchten Sie daher eindringlich bitten, sich der skizzierten Handlungs- und Problemfelder künftig noch intensiver anzunehmen. Hierbei verkennen wir die Vielfalt und Schwere der für Politik und Verwaltung insgesamt bestehenden Herausforderungen keineswegs. Diese dürfen jedoch nicht als Rechtfertigung dafür herhalten, das im vorliegenden Kontext offenkundig Notwendige lediglich halbherzig aufzugreifen oder gar zu unterlassen.

Einer breiten zivilgesellschaftlichen Unterstützung können Sie bei Ihren forcierten Bemühungen zur Verbesserung der Lebensbedingungen und Teilhabechancen von Menschen mit Fluchthintergrund im Landkreis PM gewiss sein.

Teltow, 23. September 2022

Josefina Bajer (Netzwerk Tolerantes Teltow-Kleinmachnow-Stahnsdorf)
Dr. Ermyas Mulugeta (Stellvertretender Vorsitzender des Integrationsbeirats PM)
Max Steinacker (Mitglied im Sprecherkreis des Runden Tischs Asyl und Migration PM)

Kontakt
Max Steinacker: msteinack@googlemail.com, 0176/38070436
Josefina Bajer: josefinbajer@gmx.eu, 0179/5015891
Dr. Ermyas Mulugeta: emu-mat@t-online.de, 033845/90690