Der Flüchtlingsrat Brandenburg zeigt sich bitter enttäuscht vom gestern vorgestellten Entwurf des Koalitionsvertrags der beiden zukünftig in Brandenburg regierenden Parteien SPD und BSW. In den Augen des Flüchtlingsrats sind die darin festgehaltenen migrationspolitischen Maßnahmen ein klares Bekenntnis zur populistischen und rückwärtsgewandten Abschottungspolitik der Vorwahlzeit. Er spricht sich mit entschiedener Deutlichkeit gegen alle Maßnahmen aus, die zu weiterer Abschottung und Diskriminierung geflüchteter Menschen in Brandenburg führen.

„Die im Entwurf zusammengefassten Punkte zum Thema Migration verdienen allenfalls den Titel ‚Migrationsverhinderung nach Brandenburg'“, kritisiert eine Vertreterin des Flüchlingsrats Brandenburg. In Aussicht gestellt wird im angesprochenen Abschnitt des Koalitionsvertrags etwa die Verlängerung der Grenzkontrollen zu Polen, konsequente Unterstützung bei der Einführung einer landesweiten Bezahlkarte sowie der Bau von Ausreisezentren und des Abschiebezentrums am Flughafen BER mit Gewahrsamseinrichtung. Für schutzsuchende Menschen in Brandenburg bedeutet diese Fortführung einer zunehmend menschenfeindlichen und rassistischen Abschreckungspolitik, auch weiterhin systematischer und politisch gewollter Diskriminierung, Gängelung und Verunsicherung ausgesetzt zu sein. Angestrebt wird laut Koalitionsvertrag neuerdings sogar die Einführung von Gerichtsverfahren direkt in den Einrichtungen der Zentralen Ausländerbehörde. „Selbst die Einhaltung demokratischer Grundprinzipien, wie die Wahrung einer sauberen und konsequenten Gewaltenteilung, scheint also zukünftig für geflüchtete Menschen in Brandenburg nicht mehr unbedingt verlässlich erwartbar zu sein“, kommentiert die Vertreterin des Flüchtlingsrats.

Der Flüchtlingsrat kritisiert den gesamten migrationspolitischen Maßnahmenkatalog im Entwurf des neuen Koalitionsvertrags scharf. Er appelliert an das frisch antretende Koalitionsduo, sich von ihrem realitätsverweigernden Blick auf ihr Bundesland zu lösen: Geflüchtete Menschen und Migrant*innen sind keine irgendwie geartete ‚Sondergruppe‘, die abgewehrt oder vertrieben werden müsste, sondern schon längst integraler Teil von Brandenburg. In migrationspolitischer Hinsicht fordert der Flüchtlingsrat von der neuen Regierungskoalition deshalb:

  • ein entschiedenes Entgegentreten gegen Rassismus und rechte Hetze,
  • faire und rechtsstaatliche Asylverfahren statt Schnell- oder Grenzverfahren,
  • Umsetzung von Bleiberechtsregelung statt Abschiebung vom Arbeitsplatz,
  • Förderung umfassender Teilhabe und dezentrale Unterbringung statt Verwahrung in abgelegenen Massenunterkünften,
  • sowie ein Partizipationsgesetz, das verbindlich für mehr Sichtbarkeit und Repräsentanz von Menschen mit Migrationsgeschichte innerhalb der politischen Debatten sorgt.

Mehr denn je ist die Politik aktuell gefordert, gesellschaftliche Brücken zu bauen, statt einzelne Gruppen zu Sündenböcken zu stilisieren und damit einer weiteren Spaltung der Gesellschaft Vorschub zu leisten. Die Vertreterin des Flüchtlingsrats merkt an: „Die neue Landesregierung will ‚Brandenburg voranbringen‘, heißt es im Titel des neuen Koalitionsvertrags. Sie würde also gut daran tun, sich tatsächlich drängenden Themen wie dem Ausbau der sozialen Infrastruktur zu widmen – von bezahlbarem Wohnraum über Kitaplätze, Schulen, öffentlicher Verkehr bis hin zu einer flächendeckenden medizinischen Versorgung – und sich dabei darauf zu konzentrieren, alle Menschen ihres Bundeslands (auch geflüchtete und migrierte) mitzunehmen und teilhaben zu lassen.“