Pressemitteilung, 14.08.2018
Heute soll der mittlerweile 15. Sammelabschiebeflieger nach Afghanistan vom Münchner Flughafen gehen, dafür vorgesehen und mittlerweile in Abschiebehaft befindlich sind auch drei junge Männer aus Brandenburg. Der skandalöse Richtungswechsel der Landesregierung wird durch die Ignoranz der Ausländerbehörden gegenüber Abschiebehindernissen, die bei den Betroffenen vorliegen, auf die Spitze getrieben: Zwei der drei jungen Männer sind suizidgefährdet. Die Abschiebung wäre auf Grund des gesundheitlichen Zustands der Betroffenen rechtswidrig.
Bisher hatte sich Brandenburg nur einmal im März 2017 an einer solchen Sammelabschiebung beteiligt. Die Landesregierung scheint nur auf die durch die Bundesregierung befürwortete Ausweitung der betroffenen Personengruppen gewartet zu haben: Im Juli gab die Zentrale Ausländerbehörde den kommunalen Ausländerbehörden bekannt, dass es nun auch für brandenburgische Afghanen keine Einschränkungen bei Abschiebungen mehr gäbe. Es können nun alle erwachsenen, ausreisepflichtigen Afghanen nach Kabul abgeschoben werden.
Damit übergehen die Ausländerbehörden und das Innenministerium einen Beschluss, der am 3.3.2017 im Landtag verabschiedet wurde. Dieser besagt, dass „Ausländerbehörden im Rahmen einer sorgfältigen Einzelfallprüfung die Ermessensspielräume der gesetzlichen Regelungen des Aufenthaltsrechts … nutzen“ sollen. Außerdem soll sichergestellt werden, „ob eine besondere Schutzbedürftigkeit im Sinne der EU-Aufnahmerichtlinie vorliegt.“
Die Rechtsanwältin Myrsini Laaser schreibt auf Facebook jedoch über einen für die Abschiebung vorgesehenen Mandanten: Seit heute sitzt ein afghanischer Mandant von uns aus Brandenburg in Abschiebehaft, der morgen nach Afghanistan abgeschoben werden soll. Er ist kein Straftäter oder Gefährder. Er befindet sich noch im Erstverfahren. Sein Asylantrag wurde zwar abgelehnt, aber dagegen haben wir geklagt. Er ist psychisch sehr labil. War bereits wegen eines Suizidversuches in stationärer Behandlung. Er ist damals vor den Taliban geflohen. Sein Vater wurde von den Taliban ermordet. Erst im Mai 2018 wurde seine Familie erneut von den Taliban angegriffen und bedroht, bei diesem Angriff wurden seine Brüder schwer verletzt und Freunde getötet.
Eine Einzelfallprüfung hat hier offenbar nicht stattgefunden, gesundheitliche Abschiebehindernisse werden wissentlich ignoriert. Welchen Gehalt und welche Glaubwürdigkeit hat ein Beschluss, wenn er derart nonchalant vom Innenministerium übergangen werden kann?
„Wir sind empört, dass Menschen in solch labilem Zustand in ein Land abgeschoben werden sollen, in dem sie alles andere als Unterstützung erwartet. Diese Abschiebungen sind menschenunwürdig und müssen gestoppt werden. Die Landesregierung sollte sich ihrer Verantwortung stellen und afghanische Geflüchtete real schützen. Die erneute Beteiligung an Abschiebungen von dazu noch gesundheitlich stark angeschlagenen Menschen nach Afghanistan ist eine Missachtung jeglicher Erkenntnisberichte und Einzelschicksale. Die Landesregierung sollte zu dieser fragwürdigen Vorgehensweise Stellung beziehen“, so Lotta Schwedler vom Flüchtlingsrat Brandenburg.
Der Flüchtlingsrat fordert erneut: Alle Abschiebungen nach Afghanistan stoppen. Brandenburg darf sich nicht an Abschiebungen in den Krieg beteiligen!