Pressemitteilung, 04.06.2018
Auch die Außenstelle des BAMF in Eisenhüttenstadt gehört zu den zehn Standorten, die aufgrund der vom Standard abweichenden Entscheidungen überprüft werden soll. Zurecht, denn in Brandenburg liegt die Anerkennungsquote bei Asylentscheidungen weit unter dem Bundesdurchschnitt, hiesige Quoten weichen zum Teil bis zu vierzig Prozent von diesem ab.
Brandenburgs verheerende Asyllotterie
Eine Verteilung nach Brandenburg bedeutet für viele Geflüchtete eine weit geringere Chance auf Schutz und Anerkennung ihrer Fluchtgründe. Das zeigen die Anerkennungszahlen des letzten Jahres im Vergleich zum Durchschnitt der Bundesländer:1
Afghanistan: 31,7% in Brandenburg, 47,3% Bundesdurchschnitt
Iran: 16% in Brandenburg, 58,4% Bundesdurchschnitt
Irak: 51,8% in Brandenburg, 64,4% Bundesdurchschnitt
Somalia: 75,7% in Brandenburg, 83,1% Bundesdurchschnitt
Türkei: 6,8% in Brandenburg, 29,9% Bundesdurchschnitt
Das Recht auf ein faires Asylverfahren wird außerdem massiv eingeschränkt durch die fehlende Asylverfahrensberatung in der Erstaufnahmeeinrichtung in Brandenburg. Fehlende Beratung bedeutet für Schutzsuchende, dass sie Fluchtgründe im Rahmen des Asylverfahrens nicht in vollem Umfang geltend machen können sowie einen erschwerten Rechtsweg.
Tempo statt Sorgfalt bei Asylverfahren
Von der Politik angetrieben wurde nach 2015 alles unternommen, um mit schnell angeworbenen und schlecht geschulten Entscheider_innen bis zur Bundestagswahl ein Höchstmaß an Asylentscheidungen zu treffen. Deren Qualität war bis Herbst 2017 kein Thema. Gut bezahlte Unternehmensberatungsfirmen wurden engagiert, um die Abläufe zu optimieren. Im Vordergrund stand das Tempo. Genauigkeit und Sorgfalt der Entscheidungen, wie es für die Prüfung einer möglichen Grundrechtsgewährung angemessen ist, trat bundesweit in den Hintergrund. Dies hatte hunderttausende mangelhafte Asylentscheidungen zur Folge, was der eigentliche Skandal ist, über den kaum gesprochen wird.
Verwaltungsgerichte als Korrektiv für BAMF-Schlamperei
Auch bundesweit sind die Schutzquoten 2017 im Vergleich zu 2016 drastisch gesunken, obwohl sich die Situation in den Hauptherkunftsländern der Flüchtlinge seit 2015 – wie etwa in Afghanistan – in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert hat.2
Dies ist zurückzuführen auf neue Vorgaben und Leitsätze der BAMF-Führung und letztlich des Bundesinnenministeriums. Die politisch motivierte, systematische Absenkung der Zahl positiver Entscheidungen durch eine Änderung der Anerkennungskriterien und die inakzeptable Fehlerquote bei negativen Entscheidungen werden in der einseitigen öffentlichen Debatte nicht thematisiert. Die hohe Erfolgsquote der Klagen vor den Verwaltungsgerichten zeigt die strukturellen Mängel bei den BAMF Entscheidungen.3 Dabei folgte das BAMF offensichtlich der Devise: Unser Korrektiv sind die Verwaltungsgerichte – anstelle einer wirklichen Qualitätskontrolle im Hause selbst.
Ende 2017 waren über 370.000 Verfahren vor den Verwaltungsgerichten anhängig. 2017 hatten 40,8 Prozent der Kläger_innen Erfolg (bereinigte Schutzquote). Fast die Hälfte der überprüften Asylbescheide wurde also durch die Verwaltungsgerichte korrigiert – bei syrischen und afghanischen Asylsuchenden waren es sogar über 60 Prozent.4 Etwa 32.500 Fehlentscheidungen des BAMF mussten im Jahr 2017 von den Gerichten zu Gunsten von Geflüchteten korrigiert werden. Hinzu kommen etwa 4.500 Fälle, in denen das BAMF die eigene Entscheidung im Sinne der Betroffenen korrigiert hat.
Der Flüchtlingsrat Brandenburg fordert eine umfassende Qualitätskontrolle im Bundesamt, wie PRO ASYL und viele weitere Verbände und Organisationen dies schon seit Jahren fordern. Zugang zu Schutz und das Recht auf ein faires Asylverfahren dürfen keine politische Verhandlungsmasse sein!
1 http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/003/1900385.pdf
2 https://www.proasyl.de/news/breite-kritik-an-maengeln-in-asylverfahren-und-abschiebungen-ins-unsichere-afghanistan/
3 https://www.proasyl.de/news/memorandum-zu-asylverfahren-zeigt-qualitaetsmaengel-beim-bamf/
4 http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/013/1901371.pdf