Pressemitteilung vom 2.4.2019
Äußerungen des Landkreises Oberspreewald-Lausitz und des Innenministeriums der vergangenen Woche erwecken den Anschein, Menschen könnten nach Syrien abgeschoben werden. Landkreis und Innenministerium müssen die Umstände der Rückkehr eines Syrers nach Damaskus umgehend aufklären. Der Fall hatte über die Grenzen Brandenburgs hinaus für Empörung und Verunsicherung gesorgt. Die zuständigen Behörden müssen klarstellen, dass es unter keinen Umständen Abschiebungen oder ein Drängen zur Ausreise nach Syrien geben kann.
Der Fall eines Syrers, der vergangenen Mittwoch nach einem Aufenthalt in der Psychiatrie aus dem Landkreis Oberspreewald-Lausitz nach Syrien ausgereist ist, wirft Fragen über die Umstände seiner Ausreise auf. Der Landrat brüstete sich mit der „erfolgreichen“ Ausreise des offensichtlich psychisch belasteten Mannes, der mehrmalige Psychiatrieaufenthalte hinter sich hatte. Seine öffentlichen Äußerungen erweckten – offensichtlich gewollt – den Anschein, dass es sich um eine Abschiebung gehandelt habe. Diese werden von der Bundesregierung jedoch nach wie vor kategorisch ausgeschlossen. Die Landesregierung sprach in der Presse von einer „freiwilligen geförderten Rückführung“. Sie gab zugleich an, der Mann sei dazu „motiviert worden, freiwillig auszureisen“.1 Die gewählten Formulierungen sollen offensichtlich irreführen. Eine „freiwillige“ Ausreise ist keine Rückführung, denn die findet unter Anwendung von Zwang statt. Die vom Ministerium gewählte Zusammensetzung der Begriffe kommt im Ausländerrecht so nicht vor. Es liegt in der Verantwortung des Innenministeriums, deutlich zu machen, dass es nach wie vor einen Abschiebestopp nach Syrien ohne Ausnahmen gibt. Diese Pflicht zur Klarstellung hätte unmittelbar nach den ersten Äußerungen des Landrats bestanden.
Mit dieser Desinformationspolitik des Landes und des Landkreises soll offensichtlich ein Diskurs vorangetrieben werden, der zukünftig Ausweisungen von Syrer_innen und Abschiebungen in das Bürgerkriegsland rechtfertigen soll. Erklärtes Ziel des Landrates ist es außerdem, die Bundesregierung zu einer Änderung der Abschiebungspraxis nach Syrien zu drängen.
Es gibt jedoch aus guten Gründen keine Ausnahmen vom Abschiebestopp nach Syrien, wie das Bundesinnenministerium Ende 2018 klar gestellt hat. Eine Rückkehr – ob freiwillig oder unfreiwillig – ist eine Gefahr für Leib und Leben der Betroffenen. Ein Bericht des Auswärtigen Amtes zeigt, dass Rückkehrern die Gefahr droht, ins Militär eingezogen und zuvor als Deserteure inhaftiert zu werden.2
Ob der Betroffene über diese möglichen Folgen aufgeklärt wurde, bleibt unklar. Die Freiwilligkeit seiner Entscheidung wirft auch in anderer Hinsicht Fragen auf. Es handelt sich offenbar um eine Person mit psychischen Erkrankungen, die allem Anschein nach bereits während des Psychiatrieaufenthaltes „motiviert“ wurde, freiwillig auszureisen und dort oder kurz nach der Entlassung eine Freiwilligkeitserklärung unterschrieben hat. Alles deutet darauf hin, dass hier gezielt darauf hingewirkt wurde, sich eines unliebsamen Menschens zu entledigen. Was wurde vom Landkreis konkret unternommen, um den Mann zu unterstützen und ihm zu helfen? Scheinbar wog das Interesse des Landkreises schwerer, ein öffentlichkeitswirksames Exempel zu statuieren, als einen kranken Menschen zu schützen.
„Wir sind schockiert von dieser abermaligen Diskursverschiebung nach rechts, in der Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit als störende Hürden beim „Loswerden“ eines als „Problem-Syrer“3 bezeichneten Menschen erscheinen. Es kann keine Abschiebungen in Kriegsgebiete geben. Das ist in einem Rechtsstaat kein Gnadenrecht, das bei Missfallen einfach verwehrt werden kann, sondern Ausdruck der Achtung der Menschenrechte und des Grundgesetzes“, sagt Ivana Domazet vom Flüchtlingsrat Brandenburg. Der Flüchtlingsrat fordert eine umgehende öffentliche Klarstellung der Landesregierung, dass es derzeit im Fall von Syrien keine Ausweisungen und Abschiebungen und kein Drängen oder „Motivieren“ zur Ausreise geben kann. Diese ist dringend erforderlich, da die unklaren Formulierungen des Innenministeriums und des Landkreises bei Betroffenen zu großer Unsicherheit führen können und der Fall bereits bundesweite Ausstrahlung erlangt hat.
Pressekontakt: Ivana Domazet Tel. 0176 31483547
1https://www.moz.de/nachrichten/brandenburg/artikel-ansicht/dg/0/1/1719803/
2https://www.neues-deutschland.de/artikel/1106071.fluechtlingspolitik-auswaertiges-amt-warnt-vor-abschiebungen-nach-syrien.html
3https://www.lr-online.de/lausitz/senftenberg/straffaelliger-problem-syrer-am-mittwoch-nach-damaskus-zurueckgefuehrt_aid-37750791