Bundesweite und lokale Proteste gegen Abschiebehaft Die Abschiebehaft in Deutschland begeht dieses Jahr ein trauriges Jubiläum: Sie wird 100 Jahre alt. Seit 100 Jahren werden Menschen ohne strafrechtliche Verurteilung inhaftiert und ihrer Freiheit beraubt, nur um sie abzuschieben. Um auf das Unrecht der Abschiebehaft aufmerksam zu machen, wurde die bundesweite Kampagne „100 Jahre Abschiebehaft“ ins Leben gerufen. Im Rahmen der Kampagne findet vom 10. bis 12. Mai 2019 ein bundesweites Aktionswochenende mit vielfältigen Protestaktionen statt. In Berlin und Brandenburg wird am Sonntag, den 12. Mai um 14:30 Uhr am Flughafen Schönefeld für die Abschaffung von Abschiebehaftanstalten und gegen die dort geplante Berlin-Brandenburger Abschiebehaftanstalt protestiert. Start ist am S-Bahnhof Flughafen Schönefeld.

Drei neue Abschiebehaftanstalten in Berlin und Brandenburg Noch im Juni diesen Jahres will die Brandenburger Landesregierung am Flughafen Schönefeld im Bereich der seit 2012 bestehenden Haftanstalt für das Flughafenasylverfahren zusätzlich ein „Ausreisegewahrsam“ in Betrieb nehmen. Die geplante Abschiebehaftanstalt soll vom Land Berlin mitgenutzt werden. Zudem ist für 2020 eine Wiedereröffnung des Abschiebegefängnisses in der Asylaufnahmestelle Eisenhüttenstadt geplant. Das Abschiebegefängnis wurde 2017 aus Brandschutzgründen geschlossen. Bis zur Wiedereröffnung nutzen Berlin und Brandenburg die Abschiebehaftanstalten in anderen Bundesländern, z.B. in Sachsen. Der Berliner Senat hat bereits im September 2018 in Berlin-Lichtenrade eine Abschiebehaftanstalt für so genannte Gefährder eröffnet.1 100 Jahre Abschiebehaft – ein trauriges Jubiläum Die Abschiebehaft hat ihre unmenschlichen Wurzeln in der Weimarer Republik. Sie wurde 1919 in Bayern eingeführt, um Jüd_innen aus Osteuropa zu internieren und außer Landes zu treiben. Im Nationalsozialismus wurden die Gesetze zur Abschiebehaft nochmals verschärft und anschließend unverändert in das Ausländerrecht der Bundesrepublik Deutschland übernommen. Die Sonderhaft für Ausländer_innen soll nach Plänen der Bundesregierung nun mit dem sogenannten Geordneten-Rückkehr-Gesetz nochmals exzessiv ausgebaut werden, um mehr Geflüchtete einzusperren und ggf. deren Abschiebung durchzusetzen. Systematische Verletzung von Freiheitsrechten Der Freiheitsentzug stellt den schwersten Eingriff in die Persönlichkeitsrechte dar, den der deutsche Staat kennt. Aus diesem Grund lehnen die Flüchtlingsräte Berlin und Brandenburg sowie zahlreiche weitere Menschenrechtsorganisationen die Abschiebehaft grundsätzlich ab. Dabei wird mit kaum einem anderen Bereich elementarer Grundrechtseingriffe so fahrlässig umgegangen wie mit der Abschiebehaft. Sie wird zu oft, zu lang und oft rechtswidrig angeordnet: Rechtsanwalt Peter Fahlbusch aus Hannover, ein seit Jahrzehnten im Bereich Abschiebehaft bundesweit aktiver Fachanwalt, gibt an, dass seit 2001 von seinen über 1500 Mandant_innen fast 50% rechtswidrig inhaftiert worden waren.2 Im Durchschnitt befanden sich die von ihm vertretenen Mandant_innen knapp vier Wochen zu Unrecht in Haft. Geflüchteten fehlt eine Lobby, um diese staatlichen Rechtsbrüche und unrechtmäßige Inhaftierungen anzuprangern. Die Zahl der inhaftierten Menschen in Abschiebehafteinrichtungen ist wieder steigend. Im vergangenen Jahr waren rund 90% aller Abschiebehaftplätze in Deutschland belegt. Anlässlich des traurigen Jubiläums der Haft ohne Straftat für Ausländer_innen fordern die Flüchtlingsräte Berlin und Brandenburg die Abschaffung der Abschiebehaft.Geflüchtete dürfen nicht dafür bestraft werden, dass sie fliehen mussten und in Deutschland Asyl beantragt haben. Flucht ist kein Verbrechen und darf daher nicht mit Freiheitsentzug geahndet werden“, fordert Lotta Schwedler vom Flüchtlingsrat Brandenburg. „Wir unterstützen die bundesweiten Proteste gegen die Abschiebehaft. Wir fordern den Verzicht auf Abschiebehaftanstalten in Berlin und Brandenburg und lehnen den Entwurf des „Geordneten-Rückkehr-Gesetzes“ entschieden ab“, betont Nora Brezger vom Flüchtlingsrat Berlin. Veranstaltungsübersicht für Berlin und Brandenburg: 12. Mai 2019, 14:30 Uhr: Demonstration am Flughafen Schönefeld im Rahmen der Aktionstage „100 Jahre Abschiebehaft“ gegen das geplante Ausreisegewahrsam. Start am S-Bahnhof Flughafen Schönefeld. 24. Mai 2019, 16 Uhr: Veranstaltung des Flüchtlingsrats Brandenburg „100 Jahre Abschiebehaft“ mit Rechtsanwalt Peter Fahlbusch. Ort: Haus der Demokratie und Menschenrechte, Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin

Informationen zur bundesweiten Kampagne: http://100-jahre-abschiebehaft.de/de/startseite

Pressekontakt: Flüchtlingsrat Brandenburg – Lotta Schwedler – Tel.: 0176 21 42 5057 Flüchtlingsrat Berlin – Nora Brezger – Tel.: (0 30) 224 76 311

1 Als „Gefährder“ werden Ausländer aus nicht EU-Staaten ohne strafrechtliches Urteil inhaftiert, quasi als Vorbeugehaft. Diese Form der Haft verstößt unseres Erachtens gegen rechtsstaatliche Grundprinzipien.

2 Vortrag RA Peter Fahlbusch bei der BAG PRO ASYL, Frankfurt/M. am 23.11.2018 und SZ am 28.1.2019: https://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlinge-abschiebung-abschiebehaft-1.4304734

PM als PDF