Eisenhüttenstadt, 05. Juni 2025


Öffentliche Stellungnahme einer Gruppe geflüchteter Menschen aus der Erstaufnahmeeinrichtung Eisenhüttenstadt (deutsche Übersetzung)

Liebe Öffentlichkeit,

wir verfolgen die Nachrichten hier. Es wird viel über uns gesprochen. Nun möchten wir uns selbst äußern.
Wir sind vor Krieg und extremer Gewalt geflohen. Wir sind nach Deutschland gekommen auf der Suche nach Sicherheit und um Teil dieser Gesellschaft zu werden.
Die meisten von uns leben im so genannten „Dublin Polen Zentrum“ und sollen nach Polen abgeschoben werden.

Wir möchten erklären, warum es in Polen für uns nicht sicher ist.

Polen will uns nicht haben. Ministerpräsident Tusk und andere haben gesagt, dass sie keine geflüchteten Menschen aus Deutschland aufnehmen werden. Viele von uns mussten in Asylgefängnissen, umzäunt von vier bis fünf Zäunen (mit Elektro- und Stacheldrahtzäunen) leben. Es gab zeitliche Beschränkungen, wann wir den Raum verlassen durften, um an die frische Luft zu kommen (nur mit Wärter). Eine Person unter uns bekam dort ein Baby, es gab andere schwangere Frauen und Minderjährige ohne Eltern in diesem Asylgefängnis. Wir hatten in diesem Gefängnis keinen Zugang zu einem fairen Prozess. All dies führte zu Selbstmordgefahr, einige von uns haben Selbstmordversuche und Depressionen überlebt.

Wenn wir nach Polen abgeschoben werden, ist das Risiko für uns sehr hoch, wieder ins Gefängnis zu kommen. Das sagte uns auch die polnische Grenzpolizei.

Wir haben in Polen noch mehr Leid erfahren. Die meisten von uns mussten die Grenze von Belarus nach Polen überqueren. Im Grenzwald haben wir extreme Gewalt erlebt. Freunde sind im Wald an den Folgen von Pushbacks gestorben, da sie zu Unterernährung und Dehydrierung führten. Wir wurden geschlagen, Telefone wurden zerstört, Hunde bissen uns, und wegen der Zurückdrängungen konnten wir kein Asyl beantragen.

Einige von uns waren bereits nach Polen abgeschoben worden. Dort sagte die polnische Grenzpolizei zu ihnen: „Geht selbst nach Warschau, um Asyl zu beantragen!“. Aber wie sollen wir ohne Geld oder Fahrkarte Entfernungen von bis zu 600 km überwinden, um ein Lager zu erreichen? Eine Person unter uns berichtet: „Ein polnischer Polizist setzte mich 300 m von einer Autobahnraststätte entfernt ab. Ich sollte einen LKW-Fahrer fragen, wer nach Warschau fährt. Die Polizisten gaben mir eine Karte und fuhren weg.“

Im „Dublin Polen Zentrum“ leben wir mit Problemen wie diesen:

Auf unserer Plastikkarte steht ein „D“, das für „Dublin“ steht. Jeder weiß, dass wir die zukünftig nach Polen Abzuschiebenden sind. Wir werden anders behandelt als die anderen im Lager. Wir wurden ins Dublin-Lager ausgesondert. Es ist beschämend für uns. Wir werden gezwungen, in einen speziellen Bereich zu ziehen und haben noch weniger Privatsphäre: Jeden Tag werden Zimmer und manchmal sogar Schränke von Sozialarbeitern oder Sicherheitsleuten kontrolliert. Die Türen lassen sich nicht abschließen und die meisten unserer Schränke sind nicht abschließbar, was dazu führt, dass unsere Sachen ständig verschwinden. Wir werden von der Lagerverwaltung unter Druck gesetzt, nach Polen zurückzukehren. Es ist uns verboten, das Lager von 22 Uhr bis 6 Uhr morgens zu verlassen. Wir stehen also unter Hausarrest. Wir bekommen bisher keine finanzielle Unterstützung in Form von Taschengeld. Einige von uns leben seit drei Monaten hier, ohne Geld zu bekommen. Wir sind nicht in der Lage, Anwälte, Kleidung und andere notwendige Dinge zu finanzieren.

Unter uns gibt es Frauen mit Babys, die unbedingt Unterstützung brauchen. Das Migrationsamt erlaubt uns nicht, Eisenhüttenstadt zu verlassen. Wir leiden und sind in ständiger Angst und Furcht vor Abschiebung, weil wir häufig unangekündigte Polizeibesuche bekommen.

Wir bitten die Öffentlichkeit, uns dabei zu unterstützen:

  • keine Einschränkung der Bewegungsfreiheit auf die Stadt Eisenhüttenstadt
  • ein faires Asylverfahren, das die unmenschliche Behandlung in Polen berücksichtigt und nachweist, insbesondere die Gefahr der Inhaftierung in Polen
  • Abschaffung des Abschiebezentrums. Polen ist nicht sicher.
  • normale Unterbringung mit anderen Geflüchteten. Die Trennung bedeutet Angst, Kontrolle, Konfrontation mit der Polizei in der Nacht, und das tagtäglich
  • Abschaffung des „D“ auf unseren Plastikkarten
  • keine Kürzung des Sozialgeldes
  • Bewegungsfreiheit und kein Verbot, das Lager nachts zu verlassen

Wir bitten die Öffentlichkeit, mit uns zu stehen. Wir wünschen uns eine Veränderung.

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Original Version:

Eisenhüttenstadt, June 5th 2025

The Eisenhüttenstadt Refugees Open Letter

Dear Public,

we are following the news here. A lot is spoken about us. Now we would like to speak to you ourselves.
We fled from war or extreme violence. We have reached Germany to look for safety and become part of this society.

Most of us live in the so called „Dublin Polen Zentrum“ and shall be deported to Poland. We want to explain to you, why Poland is not safe for us.

Poland does not want us. Prime Minister Tusk and others said that they don’t want refugees deported from Germany. A lot of us had to live in Asylum Prisons with 4-5 fences (with electric and barbed fences). There was a time limit, when we could leave the room to get some fresh air (only with guard). One of us had a baby, there were other pregnant women and minors without parents in the asylum prison. We did not get a fair trial in prison. All this led to risk of suicide, some of us had survived suicide attempts and depression.

If we are deported to Poland, the risk for us to go again to prison is very high, said polish border police.

We have experienced more harm in Poland. Most of us had to cross the border from Belarus to Poland. In the border forest we experienced extreme violence. Friends have died in the forest from pushbacks which caused malnourishment and dehydration. We were hit, phones were destroyed, dogs were biting us and due to pushbacks we could not ask for asylum.

Some of us were already deported to Poland. There polish border police said to them: „Go to Warsaw on your own to claim asylum!“. But how do we cross distances of up to 600 km to reach a camp without money or a ticket ? One person among us reports: „One Polish police dropped me off 300m away from a highway stop. i should ask a truck driver who is heading to Warsaw. The police men gave me a map and drove away.“

Living in the „Dublin Polen Zentrum“ we face problems such as:

On our Plastic Card is a „D“ that stands for ‚Dublin‘, Everybody knows that we are the future Poland deportees. We are treated differently than the others in camp. We feel segregated in the Dublin-Camp. It is shameful for us. We are forced to move into a special area and we have even less privacy: Everyday there is room and sometimes even cupboards checking by social workers or security. The doors are not possible to lock and most of our cupboards are not possible to lock which resulted in our belongings constantly going missing. We face pressure from the camp administration to return to Poland. We get a prohibition to leave the camp from 10 pm to 6 am. So we are in house arrest. We don´t get any financial support in form of pocket-money. Some of us are living here since 3 months without receiving money. We are not able to finance lawyers, clothes and other stuff needed.

There are women among us with babies that absolutely need support. Migration office does not allow us to leave Eisenhüttenstadt. We are suffering and are in constant fear and anxiety of deportation, because of frequent, unannounced police visits.

We ask the public to support us with this:

  • no restriction of movement for the city of Eisenhüttenstadt only
  • a fair asylum procedure that considers and proves the inhuman treatment in Poland, especially the thread of being imprisoned in Poland
  • Abolish deportation center. Poland is not safe.
  • normal accommodation with other refugees, the separation means fear, control, confrontation with the police at night and on a daily basis
  • remove the „D“ on our plastic cards
  • no cut of the social money
  • freedom of movement and no prohibition to leave the camp at nights

We ask the public to stand with us. We wish for change.