Presseerklärung, 21.03.2018
Anlässlich des internationalen Tags gegen Rassismus fordert der Flüchtlingsrat Brandenburg ein Ende der rassistischen institutionellen und alltäglichen Diskriminierung von Flüchtlingen aus Tschetschenien und anderen Herkunftsländern.
Ministerpräsident Woidke hat in die hetzerischen Aussagen des neuen Innenministers Seehofer eingestimmt und propagiert, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Die Auswirkungen dieser öffentlichkeitswirksam präsentierten Stigmatisierung bekommen in Brandenburg insbesondere Flüchtlinge zu spüren. So sind tschetschenische Flüchtlinge von einem weit verbreiteten anti-muslimischen Rassismus betroffen. „Ein Kind wurde kürzlich vom Jugendamt abgeholt, unter Einsatz von drei Polizeiwannen. Damit schüren die Behörden völlig unverhältnismäßig Ängste, die ein Signal nach außen setzen und die Betroffenen als eine Gefahr darstellen.“, berichtet Ivana Domazet vom Flüchtlingsrat Brandenburg. Dabei sind es häufig Menschen aus Tschetschenien mit besonderem Schutzbedarf, die vor Verfolgung und Folter fliehen und sich hier eine Perspektive fern von Gewalt aufbauen möchten.

Bereits im Asylverfahren haben tschetschenische Flüchtlinge in Brandenburg eingeschränkten Zugang zu einem fairen Verfahren. Trotz vielfach dokumentierter Verfolgungsgeschichten von Folter- und Kriegserfahrung werden ihre Asylgesuche abgelehnt. Ohne Zugang zu einer unabhängigen und qualifizierten Asylverfahrensberatung können sie sich kaum dagegen wehren. Dem Flüchtlingsrat liegen Berichte von Tschetschen_innen vor, denen bereits während der Anhörung, das heißt vor dezidierter Prüfung der für die Fluchtgeschichte relevanten Beweisdokumente, ein negativer Ausgang des Verfahrens vorhergesagt wird. Das BAMF behauptet in seinen ablehnenden Bescheiden eine sogenannte inländische Fluchtalternative in Russland, ungeachtet dessen, dass diese für Flüchtlinge aus Tschetschenien dort nicht existiert.
Der Rassismus, der Flüchtlingen aus Tschetschenien entgegen schlägt, hat weitreichende Folgen für ihre Versorgung und gesellschaftliche Teilhabe. Sie sind immer wieder in ihrer Schutzbedürftigkeit verletzt. Laut EU-Aufnahmerichtlinie sind die Bedürfnisse besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge vorrangig zu berücksichtigen. „Immer wieder begegnen uns Menschen aus Tschetschenien, deren Kinder mit schwersten Behinderungen nicht aus den Einrichtungen der Erstaufnahme verteilt werden, obwohl sie dort nicht versorgt werden können. Ein an Epilepsie erkranktes Kind befindet sich etwa seit fünf Monaten in der Erstaufnahmeeinrichtung, seine Mutter kann nicht einmal allein auf die Toilette gehen.“ berichtet Ivana Domazet.
Die Ressentiments spiegeln sich auch in der Politik und lokalen Behörden wieder. In der Vergangenheit haben Landkreise und kreisfreie Städte immer wieder öffentlich oder in Runden Tischen die Aufnahme von Flüchtlingen aus Tschetschenien verweigern wollen. Sie bedienen dabei rassistische Klischees und bestärken den Rassismus in der Gesellschaft, statt dagegen zu wirken. So erleben Flüchtlinge aus Tschetschenien zahlreiche rassistisch motivierte Anfeindungen und Übergriffe. 1
„Satt Menschen aus Tschetschenien immer wieder als diffuse Gefahrenquelle zu konstruieren und zu dämonisieren, müssen wir sie aus den entlegenen Erstaufnahmeeinrichtungen dorthin verteilen, wo unterstützende Strukturen sind und sie am gesellschaftlichen Leben teilhaben lassen. Dazu gehört zuallererst der Zugang zu einem fairen Asylverfahren“, fordert Ivana Domazet. Politisch Verantwortliche müssen Rassismus entschieden entgegen treten, statt rassistische Ressentiments zu befeuern. Die Perspektive von Geflüchteten muss endlich Gehör finden.
Pressekontakt:
Ivana Domazet, Tel. 017631483547
1http://www.maz-online.de/Lokales/Ostprignitz-Ruppin/Mutter-von-Tschetschenen-in-Wittstock-ueber-Flucht-Angst-und-Gewalt