Brandenburger Ausländerbehörden schieben derzeit trotz Krankheit und Schutzbedürftigkeit rigide ab
Flüchtlinge kommen nicht zu ihrem Recht, Rechtsmittel können nicht eingelegt werden
Flüchtlingsrat fordert ein Ende der menschenverachtenden Abschiebungspraxis

Brandenburg schiebt derzeit selbst schutzbedürftige und kranke Flüchtlinge mit außergewöhnlicher Härte ab. Im Sommer ist der Fall einer Familientrennung in Wandlitz bekannt geworden. Die Ausländerbehörde versuchte auch noch, die erkrankte Mutter aus dem Krankenhaus abzuschieben, was an dem Widerstand der behandelnden ÄrztInnen scheiterte. Schließlich musste der Rest der Familie unter öffentlichem Protest wieder aus Polen zurückgeholt werden.
Die Praxis hat sich seither weiter verschärft. Ein tschetschenisches Ehepaar in Oranienburg wurde letzte Woche bei einem regelmäßigen Termin zur Aufenthaltsverlängerung bei der Ausländerbehörde ohne Vorankündigung in Gewahrsam genommen. Der Ehemann befand sich bereits zuvor in stationärer Behandlung in der Psychiatrie, er war seit mehreren Verhaftungen, Verhören und wiederholter Folter schwer traumatisiert. Die Behandlungsbedürftigkeit des Ehemannes war den Behörden bekannt. Dennoch stellte ein Amtsarzt kurzerhand die Reisefähigkeit fest, das verängstigte Ehepaar wurde getrennt inhaftiert. Beide wurden durchsucht, der Ehefrau nahm man trotz ihrer Einwände das Kopftuch ab. Das Ehepaar ist inzwischen in einer Hafteinrichtung in Ketrzyn wo sie, völlig auf sich alleine gestellt, bis zu einem Jahr festgehalten werden können.
In Luckenwalde sollten zwei Frauen ohne Vorankündigung abgeschoben werden – beide brachen zusammen und mussten ins Krankenhaus eingewiesen werden. In Bad Belzig wurde eine schwangere Frau mit ihrer Familie unter Androhung von Inhaftierung und Familientrennung zur „freiwilligen“ Ausreise gezwungen. Die Familie wurde dabei in ihrem Zimmer festgehalten, der Kontakt zur Anwältin verhindert, die Frau brach daraufhin zusammen. Ein dreijähriges Kind der Familie war wenigen Monate zuvor in der Unterkunft tödlich verunglückt. Der schwer traumatisierte Vater wurde bereits zuvor wegen Inhaftierung und Folter stationär behandelt. Er kam inzwischen erneut ins Krankenhaus.
In Forst holten in einem unverhältnismäßigen Einsatz 40 Polizeibeamte insgesamt sieben Personen ab, darunter eine Familie, dessen 12jährige Tochter sich noch im Krankenhaus befand. Die Beamten holten das behandlungsbedürftige Mädchen auch noch aus dem Krankenhaus und schoben auch sie nach Polen ab, ohne sicher zu stellen, wo und wie sie in Polen weiter behandelt werden kann. Die behandelnde Kinderärztin war fassungslos und protestierte, leider ohne Erfolg.
Ohne Rücksicht auf besondere Schutzbedürftigkeit und Krankheit schieben die Ausländerbehörden in Absprache mit dem Innenministerium Menschen nach Polen ab, AnwältInnen werden nicht informiert, ärztliche Atteste werden missachtet. Gerade hat das Menschenrechtskommissariat der Vereinten Nationen die Zustände in Polen gerügt: Flüchtlinge – auch Kinder – werden dort bis zu einem Jahr inhaftiert, können jederzeit in den Verfolgerstaat abgeschoben werden, haben faktisch keinen Zugang zur Rechtsberatung und medizinischen Versorgung. In Polen gibt es kaum eine Möglichkeit, traumatisierte Menschen zu erkennen und sie zu versorgen.
Die Praxis der Ausländerbehörden entwickelt sich dahin, das Flüchtlinge hinterrücks abgeschoben werden, auch an ihren ÄrztInnen und ihrem Rechtsbeistand vorbei, wie im Fall des tschetschenischen Ehepaars in Oranienburg. Offenbar hofft man so, den steigenden Flüchtlingszahlen begegnen zu können. Genau diese Strategie hat Signalwirkung und spielt rechten Kräften in die Hände, die sich ein hartes Durchgreifen herbei und Flüchtlinge aus dem Land wünschen. Während die Innenbehörden ohne Rücksicht auf Verluste abschieben und Familien trennen, beschließt der Brandenburger Landtag mit einem Antrag aller Parteien mehr Menschenwürde und Willkommenskultur bei der Flüchtlingsaufnahme. „Der Widerspruch zwischen Aufnahmebekundungen und hartem Durchgreifen bei Abschiebungen könnte nicht größer sein. Wir fordern die Politik auf, ihren Worten Taten folgen zu lassen und die rigide, menschenverachtende Abschiebungspraxis in Brandenburg sofort zu beenden.“ sagte Ivana Domazet vom Flüchtlingsrat Brandenburg.