h6. Protestbriefvorlage von PRO ASYL zu den Auffanglagern in Nordafrika
bq. PRO ASYL
Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge
Postfach 160624
60069 Frankfurt/M.
Firma Mustermann
Herrn Max Mustermann
Musterstr. 1
12345 Musterort
Frankfurt am Main, den 17. September 2004
Asyllager in Nordafrika
PRO ASYL warnt vor dem größten Angriff auf das
Asylrecht seit der Grundgesetzänderung.
Sehr geehrte(r) Herr / Frau Mustermann,
… das leckgeschlagene alte Boot treibt auf dem offenen Meer. 72 Menschen an Bord leben noch. Die Sonne brennt. Schon lange gibt es weder Nahrung noch Wasser. Wie viele Tage sind sie be-reits unterwegs? Wie viele Tote mussten sie schon über Bord werfen? Von wie vielen Schiffen wur-den sie gesichtet, die trotzdem weitergefahren sind? „Sie haben uns sterben lassen“, sagte einer der Überlebenden, als sie am 12. August nach langer Irrfahrt von dem Frachter Zuidersee gerettet wurden. Bitterer und zutreffender kann man das, was an den Außengrenzen des neuen Europas geschieht, nicht beschreiben.
PRO ASYL fragt: Wie viele müssen es noch sein, die ihre Hoffnung auf eine menschenwürdige Exi-stenz an unseren Grenzen mit dem Leben bezahlen? Warum begreifen die europäischen Politiker nicht, dass sie eine humanitäre Verantwortung für Menschen haben, die in ihrer Verzweiflung le-bensbedrohliche Gefahren auf sich nehmen? Wann macht Europa endlich Schluss mit seiner grau-envollen Abschottungspolitik?
Zum Hintergrund: Für Menschen in Europa ist die neue erweiterte EU in vielen Bereichen ein großer Fortschritt. Grenzen fallen weg, Freiheit nimmt zu, Kriege finden nicht mehr statt. An den Außen-grenzen wird diese Entwicklung mit Abschreckung erkauft. Wer als Nachbarstaat seine Grenzen nicht dichtmacht, hat mit Sanktionen zu rechnen. Und wer Schiffsbrüchige aus Seenot rettet, wird als „Schleuser“ verdächtigt. Ob Blair, Pisanu oder Schily – Europas Hardliner übertreffen sich ge-genseitig mit Ideen, wie man in Zukunft Asylsuchende und Migranten noch besser abwehren kann.
Das neueste Projekt von Pisanu und Schily sprengt nun alle Grenzen des menschlichen Anstands. Sie wollen Lager außerhalb Europas einrichten und Asylverfahren auslagern. Auch Asylsuchende, die auf ihrer Flucht bereits die EU-Grenzen erreicht haben, könnten in Zukunft dorthin zurückge-schafft werden. Dies wäre das Ende unseres Asylrechts. Es stände zwar noch im Grundgesetz und in der Europäischen Verfassung, aber es würde Flüchtlingen kaum mehr gelingen, dieses Recht wahrzunehmen. Das erste dieser geplanten Lager soll demnächst in Libyen entstehen.
Es muss sofort etwas geschehen: Bereits am 5. Oktober wollen die Innenminister Italiens und Deutschlands ihren Plan mit Frankreich, Großbritannien und Spanien abstimmen. Aus diesem Grund startet PRO ASYL nun eine Initiative, mit der wir uns an den Bundeskanzler, die Entwick-lungshilfeministerin und an den Außenminister wenden. Insbesondere Joschka Fischer weist in sei-nen Reden immer wieder eindringlich auf die humanitären Traditionen und Werte Europas hin und sieht diese als Auftrag für die zukünftige politische Entwicklung der EU. Das Elend der Flüchtlinge an den Außengrenzen ist solch ein humanitärer Auftrag, dem sich Europa nicht entziehen darf. An dieser Stelle benötigen wir Ihre Unterstützung:
Schreiben Sie persönliche Briefe, in denen Sie den Bundeskanzler, die Entwicklungshilfeministerin und den Außenminister bitten, sich mit all ihren Möglichkeiten auf europäischer Ebene, im Bundeskabinett und im Rahmen der Regierungskoalition gegen Asyllager in Nord-afrika einzusetzen. Die Adressen lauten:
bq. Herrn Bundeskanzler Bundesministerin für wirtschaftliche Bundesminister des Auswärtigen
Gerhard Schröder Zusammenarbeit und Entwicklung Herrn Josef Fischer
Willy-Brandt-Str. 1 Frau Heidemarie Wieczorek-Zeul Werderscher Markt 1
11012 Berlin Stresemannstr. 94 11013 Berlin
11055 Berlin
Wir erwarten, dass sie ihren Einfluss geltend machen, um eine sofortige Kurskorrektur zu erreichen. Informationen und Argumente für ein Schreiben finden Sie in der beigefügten Broschüre.
h6. Was unternimmt PRO ASYL weiterhin?
Nicht nur im Süden, auch an den neuen Ostgrenzen wird die Abschottung der EU-Grenzen vorangetrieben. In Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen aus anderen europäischen Staaten recherchieren wir die Situation vor Ort. Im nächsten Schritt werden wir das EU-Parlament informieren und Handlungsvorschläge unterbreiten.
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die Mitglieder des Innen- und des Menschen-rechtsausschusses sowie die Außen-, Europa- und Entwicklungspolitiker müssen sich umgehend der Tragweite des Vorstoßes bewusst werden. PRO ASYL wird auch hier aktiv.
Es ist dringend nötig, eine öffentliche Debatte in Gang zu setzen und gegen den größten Angriff auf das Asylrecht seit der Grundgesetzänderung 1993 vorzugehen. PRO ASYL sucht daher auf nationaler und europäischer Ebene den Zusammenschluss mit anderen Menschenrechtsorganisationen.
Neueren Untersuchungen zufolge sind alleine an den Südgrenzen Europas in den letzten 10 Jahren über 5.000 Menschen zu Tode gekommen. Diesen Menschen kann niemand mehr helfen. Umso mehr ist es unsere Pflicht, zukünftiges Sterben an Europas Grenzen zu verhindern.
Mit freundlichen Grüßen
Günter Burkhardt
Geschäftsführer
PS: Unter dem Titel „Europa macht dicht!“ hat PRO ASYL bereits in dem diesjährigen Heft zum „Tag des Flüchtlings“ die Hintergründe und Folgen der europäischen Abschottung eindrücklich deutlich gemacht. Dieses Heft und weitere Materialien können Sie gerne bestellen.