h6. Claus-Dieter Stever, Tagesspiegel, 23.07.2003
Rathenow. „Ihr Scheiß-Neger! Was wollt ihr hier? Geht zurück in eurer Land. Was macht ihr hier für eine Scheiß-Arbeit?“ Dieser verbalen Beleidigung folgten drei Faustschläge ins Gesicht von Orabi Mamavi, einem 41 Jahre alten Asylbewerbers aus Togo. Er wurde am Auge schwer verletzt und traute sich seit dem Vorfall am 23. Dezember vergangenen Jahres aus Angst nicht mehr allein auf die Straße.
Gestern musste sich der 26-jährige Schläger Marko D. aus Rathenow vor dem Amtsgericht in seiner Heimatstadt für die Tat verantworten. Der Prozess dauerte nur wenige Stunden, Marko D. wurde wegen Körperverletzung und Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Die Strafe wurde für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem muss der Arbeitslose 500 Euro an den Verein „Weißer Ring“ zahlen.
Das Gericht folgte damit den Anträgen der Staatsanwaltschaft und des als Nebenkläger im Prozess aufgetretenen Asylbewerbers. Orabi Mamavi nahm das Urteil ohne äußerlich sichtliche Regung entgegen.
Seit neun Jahren lebt er als Asylbewerber in Rathenow, nachdem er als Angehöriger einer Oppositionspartei in seinem Heimatland nach eigenen Angaben gefoltert worden war.
Doch die Stunden seines Aufenthaltes in der sicheren Fremde sind gezählt. Kommenden Donnerstag will ihn die Ausländerbehörde des Landkreises Havelland nach Ablehnung des Asylantrages abschieben. Der Kirchenkreis Kyritz und der Verein Opferperspektive haben beim Petitionsausschuss des Landtages einen Aufschub der Abschiebung beantragt. Sollte der Ausschuss den Antrag ablehnen, will der Verein einen neuen Antrag stellen.
„Er muss bei der Rückkehr nach Togo mit seiner Verhaftung rechnen“, sagte Kay Wendel vom Verein Opferperspektive. „Außerdem sollte ein Bleiberecht eine Wiedergutmachung dafür sein, was er in neun Jahren Rathenow von rassistischen Tätern erlitten hat.“
Schon 1997 ist Mamavi von rechtsextremistischen Tätern angegriffen worden. Seitdem habe er ständig unter Angst gelebt, so dass er jetzt eine Therapie benötige. Das Verfahren zu der Tat im Jahre 1997 wird auf Drängen des Vereins Opferperspektive am 10. August eröffnet. „Wir können endlich Beweise für die Tat vorgelegen“, erklärte Wendel. Die erste Vernehmung des Togolesen ist für den 10. August vorgesehen. Zu diesem Zeitpunkt aber wäre er, wenn es nach dem Willen der Ausländerbehörde geht, schon längst in Afrika.
Das gestern gesprochene Urteil soll abschreckend wirken, sagte die Richterin. Rathenow gilt seit Jahren als Ort fremdenfeindlich motivierter Angriffe auf Ausländer. Der Angeklagte selbst hatte im Prozess den Vorwurf einer rechtsextremistischen Gesinnung zurückgewiesen. „Ich war im Vollrausch und hatte einen Filmriss“, sagte der junge Mann.
Am 23. Dezember habe er zusammen mit einem Kumpel ab 19.15 Uhr bis zu 20 Flaschen Bier und einige Mixgetränke getrunken. Ein Gutachter rechnete einen Alkoholgehalt von 6,21 Promille aus. Das sei unglaubwürdig, erklärte das Gericht.
Orabi Mamavi wollte mit einem Freund am Morgen des 24. Dezember gerade mit dem Schneeschieben auf einem Fußweg für einen Stundenlohn von einem Euro beginnen, als die beiden grundlos beschimpft und angegriffen wurden. Sie sind dem Angreifer hinterher gerannt. Sie konnten ihn festhalten und der Polizei übergeben. Die Polizisten stellten bei ihren Befragungen keinen Vollrausch des Täters fest.