_Herausgegeben von den folgenden Nichtregierungsorganisationen und AnwältInnen:
Deutsch-Kaukasische Gesellschaft, Flüchtlingsrat Brandenburg, Flüchtlingsberatungsstelle des Kirchenkreises Oranienburg, Rechtsanwältin Tatjana Ansbach, Verfahrensberatung des Diakonischen Werkes Elbe-Elster, Xenion (psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e.V.)_
Sie haben in Deutschland Asyl beantragt. Dies bedeutet nicht zwingend, dass Ihr Asylverfahren auch in Deutschland durchgeführt wird. Vielmehr erfolgt in den nächsten Wochen eine Prüfung, ob nicht ein anderer Staat in Europa für Ihre Asylangelegenheit zuständig ist. Wird über Ihre Fingerabdrücke herausgefunden, dass Sie vor Ihrer Einreise nach Deutschland schon in einem anderen EU-Staat waren, dann liegt ein so genannter „EURODAC-Treffer“ vor. Nach der Dublin II Verordnung (hier kurz DÜ II genannt) können Sie dann in diesen für Sie „sicheren“ Staat, in dem Ihre Fingerabdrücke gefunden wurden, zurückgeschoben werden. Aber nicht nur die EURODAC-Treffer werden gelten gemacht, um zu beweisen, dass Sie vor der Ankunft in Deutschland schon in einem anderen EU-Staat waren, sondern alle möglichen Indizien werden zusammengetragen! Kann man Ihnen nachweisen, dass Sie vorher in einem anderen EU-Staat waren und ist dieser bereit Sie zurückzunehmen, dann wird in diesem Land Ihr Asylverfahren durchgeführt.
h6. Ausnahmen:
Wenn einer oder mehrere der folgenden Punkte auf Sie zutrifft und Sie aus diesen Gründen ein Asylverfahren in einem bestimmten Staat durchführen möchten, teilen Sie dies unbedingt mit (der Beratungsstelle und dem Bundesamt, das für Ihren Asylantrag in Deutschland zuständig ist):
* Wenn ein Familienangehöriger Ihrer Kernfamilie (Ehegatte, minderjährige und nicht verheiratete Kinder) sich bereits in diesem Staat aufhält. Sehr gut sind Ihre Chancen, ein Asylverfahren in diesem Land zu erreichen, wenn dieses Familienmitglied bereits als Flüchtling anerkannt ist, aber auch im laufenden Asylverfahren ist dies nicht ausgeschlossen;
* Wenn humanitäre Gründe gegen eine Rücküberstellung in einen anderen Staat sprechen. Das kann z.B. Reiseunfähigkeit aufgrund von Krankheit, Traumatisierung, Schwangerschaft oder hohem Alter sein; oder wenn Sie minderjährig sind und allein reisen;
* Wenn Sie im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder eines Visums für diesen Staat sind;
* Wenn Sie über diesen europäischen Staat eingereist sind und sich länger als 5 Monate dort aufgehalten haben;
* Wenn Sie in diesem Staat einen Asylantrag gestellt haben.
Bei illegaler Einreise ist für die DÜ-Prüfung ein Zeitraum von 12 Monaten festgelegt. In diesem Zeitraum werden Ihre Fingerabdrücke in der EURODAC-Datenbank überprüft. Das deutsche Bundesamt hat 3 Monate Zeit, um ein Aufnahmegesuch an einen anderen Staat zu richten. Dieser andere Staat hat wiederum 2 Monate Zeit, um sich gegen eine Rücknahme auszusprechen. Erfolgt innerhalb dieser Frist keine Antwort, wird davon ausgegangen, dass dem Übernahmegesuch stattgegeben wurde. Die Überstellung hat innerhalb von 6 Monaten zu erfolgen. In diesem Fall sowie bei der Bestätigung der Rückübernahme des anderen EU-Staates müssen Sie also mit Ihrer Rückschiebung rechnen. Sollten Sie zurückgeschoben werden, nehmen Sie bitte unbedingt Kontakt du der unten angegebenen Beratungsstelle auf! Dann versuchen wir, Ihren Fall weiter zu begleiten und Ihnen rechtlichen Beistand zu vermitteln! Nur wenn wir erfahren, wo Sie sind und wie es Ihnen ergeht können wir eingreifen!
Sie haben das Recht, sich auf Antrag alle über Sie erfassten Daten mitteilen zu lassen! (Verordnung DUBLIN II, Artikel 21 Absatz 2.) Stellen Sie fest, dass Angaben unrichtig erfasst worden sind, haben Sie das Recht auf Berichtigung! Außerdem haben Sie das Recht, gegen einen Überstellungsbescheid Rechtsbehelf einzulegen (Art. 19 Abs. 2 Satz 3). Bitte kontakten Sie dafür unbedingt eine Beratungsstelle und/oder einen Rechtsanwalt.
Ist diese Prüfung abgeschlossen und das Aufnahmegesuch ist abgelehnt, oder die Rücküberstellung konnte nicht innerhalb der vorgeschriebenen 6 Monate erfolgen, oder Deutschland erklärte seine Zuständigkeit aus humanitären Gründen (zum Beispiel weil ein Familienangehöriger der Kernfamilie im Bundesgebiet lebt) wird das Asylverfahren in Deutschland durchgeführt. Aufgrund der genannten Fristen kann es mehrere Monate dauern bis feststeht, welcher Staat für die Prüfung Ihres Asylantrages zuständig ist.
Das Bundesamt muss entscheiden, ob Ihr Antrag positiv oder negativ zu bewerten ist. Deshalb werden sie zu ihren Asylgründen angehört (Interview). Die Anhörung erfolgt bereits kurz nach ihrer Ankunft in Deutschland. Dadurch soll verhindert werden, dass Sie durch andere Asylbewerber, welche sich bereits im Land befinden, in Ihrer Darstellung der Fluchtgründe beeinflusst werden.
Als Jugendlicher, als Frau und als traumatisierte Person haben Sie das Recht auf einen Sonderbeauftragten bei der Anhörung. Das bedeutet, dass der oder die Anhörer/in besonders geschult sind und besser auf Sie eingehen können. Wenn Sie das wünschen, sollten Sie das unbedingt beim Bundesamt beantragen – am besten schriftlich. Das können Sie auch in Ihrer Landessprache machen. Sie können auch einen eigenen Dolmetscher (den Sie selber bezahlen müssen) und einen Rechtsanwalt mit zu der Anhörung bringen.
Zunächst wird man Ihnen einleitende Fragen stellen. Es handelt sich um Fragen zu Sprachkenntnissen, Schulbesuch, Berufstätigkeit, Familienstand, letzte Adresse in der Heimat, Name von Familienangehörigen etc.. Die letzte der Fragen betrifft Ihren Fluchtweg, der besonders intensiv nachgefragt wird. Sie haben hier das Recht die Aussage zu verweigern, wenn Sie sich damit selbst belasten würden. Falls Sie in einem anderen Land bereits Dokumente unterzeichnet und Ihre Fingerabdrücke abgegeben haben, sollten Sie allerdings auch die Fragen zum Fluchtweg beantworten. Verschweigen Sie die Angaben dazu und das Bundesamt erfährt dennoch davon, wirken Sie nicht mehr glaubwürdig!
Danach erhalten Sie Gelegenheit, Ihre Fluchtgründe zusammenhängend zu schildern. Da es sich hierbei um den Kern Ihres Asylantrages handelt, sollten sie sich darauf besonders gut vorbereiten.
Wichtig sind die folgenden Punkte in Ihrer Anhörung:
* Berichten Sie sehr detailliert über Ihr Verfolgungsschicksal, weil man oftmals Asylbewerbern nur deshalb nicht glaubt, weil sie zu allgemein erzählt haben.
* Sie müssen deutlich machen, dass Ihnen persönlich staatliche Verfolgung droht. Waren Sie bereits inhaftiert, wurden sie geschlagen und misshandelt, sollten Sie das ausführlich schildern. Wichtige Asylgründe sind ebenfalls, wenn Sie Verwandte unter Politikern oder Kämpfern haben, die offenkundig verfolgt werden.
* Lassen Sie sich nicht antreiben, weil der Anhörer sagt, er habe nicht so viel Zeit. Sie haben das Recht auszureden und es ist Ihre einzige Gelegenheit, über alles zu sprechen.
* Konzentrieren Sie sich auch bei der Rückübersetzung des Protokolls und korrigieren Sie jeden Fehler, auch wenn er Ihnen unwichtig erscheint. Solche Korrekturen können später wichtig sein, falls es einen ablehnenden Bescheid gibt, gegen den geklagt werden muss. Das ist auch wichtig, weil manchmal Widersprüche im Protokoll auftreten, die nur auf Übersetzungsfehler zurückzuführen sind und die dazu führen können, dass man Ihnen nicht glaubt.
* Unterschreiben Sie das Protokoll nicht, wenn Sie den Eindruck haben, dass die Übersetzung nicht gut war oder dass Sie nicht alles sagen konnten.
Flüchtlinge, die bei der illegalen Einreise festgenommen wurden, müssen in der Regel zur Sicherung einer Rücküberstellung in einen anderen Staat für wenigstens 4 Wochen in Abschiebungshaft. Darunter fallen Alleinreisende ab 16 Jahre, Schwangere bis zum 7. Monat der Schwangerschaft, beide Elternteile, wenn sie keine Kinder unter 10 Jahren bei sich haben.
Gegen den Haftbeschluss ist innerhalb einer Frist von zwei Wochen sofortige Beschwerde möglich. Ist Ihre Asylantragstellung in Deutschland schon 4 Wochen her und das Bundesamt hat Ihren Asylantrag innerhalb dieser 4 Wochen Haftzeit nicht entschieden und es gibt auch noch keine Bereitschaft des EU-Staates, aus dem Sie eingereist sind, Sie zurückzunehmen, muss man Sie aus der Haft entlassen. Bitte wenden Sie sich an eine Beratungsstelle!
Falls Sie weitere Fragen zur Anhörung oder zum weiteren Verlauf Ihres Asylverfahrens haben, informieren Sie sich bei einer Verfahrensberatungsstelle oder der unten angeführten Organisation in Ihrer Nähe, die Sie gern bei allen Fragen zum Asylverfahren berät:
Diakonisches Werk Niederlausitz e.V., Allgemeine Verfahrensberatung, Claudia Brunner, Robert-Koch-Str.37, 15890 Eisenhüttenstadt, Tel. und Fax: 00-49-3364/283978