*Presseerklärung
u.r.i. – United against Racism and Isolation e.V.
Hennigsdorfer Ratschlag
und Flüchtlingsberatung des Kirchenkreises Oberes Havelland*
am 25.2.2013
*Landkreis Oberhavel ignoriert BverfG-Urteil und verweigert Existenzminimum / Mehrere Gerichtsverfahren und Untätigkeitsklagen / Hilferuf von Bewohner_innen der Flüchtlingsunterkunft Stolpe-Süd

Null Toleranz bei struktureller Gewalt!*
Ob Landrat Karl-Heinz Schröter (SPD) die eigene Verwaltungspraxis im Sinn hatte, als er im Januar die Grundsatzerklärung „Null Toleranz bei Gewalt“ unterzeichnete? Dann bestünde doch noch Hoffnung, dass die von Amtswegen ausgeübte Diskriminierung und Entmündigung noch vor seiner Abwahl beendet werden könnte. Derzeit allerdings weisen die Entwicklungen in Oberhavel in die entgegengesetzte Richtung:
1. Eine Prüfung der Leistungen an Flüchtlinge im Einzelfall, wie sie der Landkreis zugesagt hat, findet weiterhin nicht statt. Die ungeprüfte pauschale Auszahlung von Gutscheinen (die verfallen; die nur in einigen Geschäften einlösbar sind; die Wechselgeld beschränken etc.) führt de facto zu einer Verringerung der Leistungen, also zu einem Einschnitt in das Existenzminimum. Ein solcher ist nicht zulässig. Das sagt nicht nur der gesunde Menschenverstand, sondern auch das BVerfG stellte in seinem Urteil vom 18.07.2012 klar, dass „auch migrationspolitische Erwägungen (…) kein Absenken des Leistungsstandards unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum rechtfertigen“. Die Menschenwürde sei migrationspolitisch nicht zu relativieren und stehe deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der BRD aufhalten, gleichermaßen zu.
In dieser Sache sind beim Sozialgericht Neuruppin mehrere exemplarische Klagen anhängig. Diese werden allerdings seit einem Jahr nicht bearbeitet.
2. Der Landkreis Oberhavel verweigert die – vom BVerfG angeordnete – Nachzahlung der grundgesetzwidrig niedrigen Leistungen aus den Jahren 2011 und 2012. Diesbezüglich wurde mittlerweile Untätigkeitsklage eingereicht.
3. Der Landkreis Oberhavel ist Betreiber der Flüchtlingsunterkunft Stolpe-Süd. Die Unterkunft ist überbelegt, die daraus resultierenden hygienischen Zustände nicht verantwortbar. Für Kinder und Jugendliche gibt es weder Raum zum Spielen noch zum Hausaufgaben machen. Es gibt keinerlei Privatsphäre, was insbesondere alleinstehende Frauen gefährdet. In einem offenen Brief wenden sich die Bewohner_innen nun noch einmal an den Landkreis und bitten darum, diese Form struktureller Gewalt schnell zu beenden.
4. Bis heute lässt die Verwaltungsspitze zwei Kreistagsbeschlüsse, mit denen eine Mehrheit gegen die Gutscheinpraxis votierte, ins Leere laufen. Offene Briefe, Proteste, Unterschriftensammlungen und Kundgebungen werden ignoriert.
Für Dienstag, 26.2. um 13 Uhr laden der Hennigsdorfer Ratschlag, u.r.i. und die Flüchtlingsberatung Hennigsdorf zu einer Pressekonferenz mit Flüchtlingsaktivist_innen und der Rechtsanwältin Anja Lederer, die über den aktuellen Stand der Gerichtsverfahren informiert.