Pressemitteilung am 14. Oktober 2011 Innenpolitik/Flüchtlinge
Was würde der Flüchtling Willy Brandt dazu sagen?
Kein Asylgefängnis auf dem Willy-Brandt-Flughafen in Schönefeld!
Auf dem neuen Großflughafen in Schönefeld wird ein Gefängnis für Flüchtlinge gebaut, deren Asylantrag im sogenannten Flughafenverfahren bearbeitet werden soll. Die Flüchtlingsräte Berlin und Brandenburg und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein protestieren dagegen scharf.
Für Flüchtlinge, die bei der Einreise Asyl beantragen, wird auf dem neuen Groß-Flughafen Willy-Brandt ein Gefängnis gebaut – das geht aus der Antwort der Potsdamer Landesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hervor. Die Landesregierung rechnet mit 300 Fällen pro Jahr.
Die Hafteinrichtung soll 30 Plätze haben. Selbst Kinder sowie alleinreisende minderjährige Flüchtlinge sollen hier eingesperrt werden. Betreiber der Haftanstalt wird die Zentrale Ausländerbehörde Brandenburgs, die soziale Betreuung wird privatisiert und an die Wachschutzfirma B.O.S.S. übertragen; eine Ausschreibung ist nicht erfolgt. Politisch verantwortlich für Bau und Betrieb der Haftanstalt zeichnen Bundesregierung und die Länder Berlin und Brandenburg gleichermaßen, die auch den Flughafen gemeinsam betreiben.
Fragwürdig, höchst umstritten….
Mit der massiven Einschränkung des Grundrechts auf Asyl 1993 wurde gesetzlich festgelegt, dass Flüchtlinge, die am Flughafen Asyl beantragen, für das Asylverfahrens inhaftiert werden können. Eigens für sie wurde ein extrem verkürztes Asylverfahren eingeführt: Gleich nach der Ankunft werden die Flüchtlinge verhörartig nach ihren Asylgründen befragt. Binnen zwei Tagen entscheidet das Bundesamt (BAMF) über den Asylantrag. Nur binnen weiterer drei Tage können die Asylbewerber aus der Haft heraus eine schriftlich begründete Klage gegen die Asylablehnung einreichen. Wird der Asylantrag weiterhin abgelehnt, verbleiben die Asylsuchenden – ggf. über viele Monate – bis zur Abschiebung in der Haftanstalt, bis sich ein zur Rücknahme bereiter Staat findet. Als „hastig, unfair, mangelhaft“ bezeichnet Pro Asyl das Verfahren nach Auswertung von Verfahrensakten aus Frankfurt/Main.
Das Grundgesetz schreibt für jede Freiheitsentziehung die schnellstmögliche Überprüfung durch ein Gericht normalerweise noch am selben Tag vor, nur im Flughafengefängnis ist keine solche richterliche Haftprüfung vorgesehen. Es handle sich nämlich gar nicht um eine Inhaftierung, so die zynische Begründung des Gesetzgebers, da ein „luftseitiges Verlassen“ jederzeit möglich sei.
….und umgehbar
Auf den meisten deutschen Groß-Flughäfen wird auf das extrem teure und umstrittene Flughafenverfahren verzichtet, weil es nur durchgeführt werden muss, wenn es eine geeignete Unterkunft im Sinne des Paragrafen 18a Asylverfahrensgesetz gibt. Berlin-Tegel, Stuttgart, Köln/Bonn und Hannover führen keine Flughafenverfahren durch. In Berlin-Schönefeld gab es bisher nur ein bis zwei Fälle pro Jahr. Marginal sind die Zahlen auch für Hamburg, München und Düsseldorf. Nur in Frankfurt am Main werden bis zu ca. 300 Verfahren pro Jahr durchgeführt. Die Prognose von 300 Fällen pro Jahr für den Flughafen BBI Willy Brandt entbehrt somit jeder Grundlage. Offensichtlich handelt es sich um ein politisches Prestigeprojekt, für das andere Motive ausschlaggebend sind.
Die Inhaftierung Schutzsuchender und ihrer Kinder sowie die faktische Verweigerung von Rechtsschutz gegen Asylablehnungen halten wir für unvereinbar mit dem Grundgesetz und der UN-Kinderrechtskonvention. Das Flughafenasylverfahren muss aus menschenrechtlichen und rechtsstaatlichen Gründen abgeschafft werden.
Wir fordern Berlin und Brandenburg sowie die Bundesregierung auf, auf Bau und Betrieb einer Haftanstalt für Asylbewerber auf dem Flughafen Willy Brandt zu verzichten. Schutzsuchenden ist wie in Berlin-Tegel die Einreise zur Durchführung eines regulären Asylverfahrens zu ermöglichen.
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Pressekontakt:
Georg Classen, Flüchtlingsrat Berlin e.V., Tel: 0179-4735393
Marcus Reinert, Flüchtlingsrat Brandenburg e.V., Tel: 0151-50724851
Rechtsanwältin Berenice Böhlo, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V., Tel: 030 / 62987720